Parndorf wächst und wächst und wächst, reich ist die Gemeinde im Burgenland auch noch - aber zu viel vom Guten kann auch schnell zum Schlechten werden

Foto: STANDARD/wei

Parndorf/Pandrof - Wolfgang Kovacs geht es sehr gut. Einerseits. Denn einerseits ist Wolfgang Kovacs der Bürgermeister einer Marktgemeinde, die nicht nur stinkreich ist, sondern darüber hin aus auch wächst und gedeiht, sodass jeder andere Bürgermeister wohl neidvoll sagen würde: In Parndorf, da ist alles paletti.

Allerdings gibt es da auch das Andererseits: beinahe ungebremsten Zuzug und damit zunehmende Desintegration, genossenschaftliche Wohnghettos an einem Ortsrand, am anderen ödes Gewerbegebiet.

Für das Wachstum zahlen

Wolfgang Kovacs hat das nicht ganz so drastisch gesagt, als er vor fünf Jahren mit seiner Liste Parndorf angetreten ist, um die jahrzehntelange SPÖ-Herrschaft zu beenden. Aber er hat dieses Andererseits zum Thema gemacht. Ihm und seiner Liste Parndorf schien es ein zu hoher Preis, das Wachstum der Gemeinde - in den vergangenen 20 Jahren verdoppelte sich die Einwohnerzahl beinahe auf 4500 - mit dem Verlust an dörflicher Lebensqualität zu bezahlen.

Ein Geschoß muss reichen

Eine scharfe Bremsung gelang ihm in den vergangenen fünf Jahren nicht, seine Tätigkeit beschreibt er denn auch ausdrücklich nicht als Bremsen, sondern als "Bremseln". Auf bis zu 7000 Einwohner werde Parndorf noch wachsen. "Den als Bauland gewidmeten Grund können wir ja nicht einfach rückwidmen." Aber über die Bauordnung könne er doch ein wenig steuern, "wir lassen nur noch eingeschoßige Häuser zu".

Mehr als 6000 Einwohner werden es über kurz oder lang dennoch werden, "Parndorf wird damit eine der großen Städte des Burgenlandes". Rechnet man die be nachbarte Bezirkshauptstadt Neu siedl am See dazu, die in den vergangenen 20 Jahren von rund 4500 auf mehr als 7000 Einwohner gewachsen ist, dann entsteht am Nordostende des Neusiedler Sees der bedeutendste burgenländische Ballungsraum. Und Wolfgang Kovacs sieht seine Aufgabe darin, zu verhindern, dass die geografische Gunstlage im Herzen der Twincity-Region an der Schnittstelle der Speckgürtel von Wien und Bratislava zum bloßen Anballungsraum wird.

Zwei Aufgaben stünden da im Vordergrund, meint Kovacs. Die eine sei die Anpassung der kommunalen Infrastruktur. Zum Beispiel: "Wir haben jetzt zwei Kindergärten, so wie es ausschaut, brauchen wir aber drei." Auch die Volksschule wächst, rund 180 Kinder besuchen sie, als zweisprachige Gemeinde gilt für Parndorf/Pandrof die niedere Klassenteilungsziffer 21.

Dorferneuerung mit Neuen

Die Schule hilft auch bei der zweiten großen Aufgabe in einer so rasant wachsenden Gemeinde, bei der Integration. "Über die Kinder finden die neu Zugezogenen am einfachsten den Weg hinein ins dörfliche Leben." Jedenfalls die eine Gruppe von Neu-Parndorfern, die jungen Familien.

"Die zweite Gruppe sind Menschen um die 50 plus, die sich in Pendelweite was fürs Alter schaffen wollen." Die finden, sagt der Bürgermeister, den Weg über die Vereine, "die sind ganz wichtig". Auf den ersten Blick erstaunlich: "Viele Neue sind gerade bei der Dorferneuerung sehr engagiert." Und im Kulturverein, der in den vergangenen Jahren ein kleines, sehr feines Sommertheater auf die Beine gestellt hat.

Auf keinen Fall Schlafstadt

Die dörfliche Integration soll Parndorf vor dem Schicksal einer reinen Schlafstadt bewahren. Die Verkehrsanbindung würde da zu ja einladen. Zwei Autobahnen und vier Bahnlinien machen das Dorf zum regionalen Verkehrsknotenpunkt. Nach Wien sind es knapp 40 Kilometer, nach Bratislava ebenso.

Diese günstige Lage lockt nicht nur Bewohner. Vor einiger Zeit ritterten die Gemeinden der Gegend etwa um die Ansiedelung einer Postzustellbasis. Wolfgang Kovacs bewarb sich ebenfalls dafür, aber er ritterte nicht. "Ich habe gewusst, die wollen zu uns."

Nicht nur der burgenländische Bürgermeister weiß, dass Parndorf einer der besterschlossenen Orte in ganz Österreich ist. Standort-Lockangebote wie eine niedrige Kommunalsteuer braucht Kovacs nicht.

Das Designer-Outlet-Center hat die zentrale Grenzlage schon frühzeitig für sich genutzt. 1998 eröffnete ein erstes Einkaufdorf, mittlerweile hat die dritte Erweiterung stattgefunden, 650 Arbeitsplätze mit entsprechender Steuerleistung sind dort entstanden, freilich auch ein ansehnliches industrielles Ödland. Das irgendwie ins Dorfleben hineinzuholen, zieht der Bürgermeister nicht einmal in Erwägung. "Dort lässt sich nichts mehr machen." Dafür nutzt er die Einnahmen - alles in allem rund neun Millionen im Jahr - fürs Bremseln, den hinhaltenden Widerstand gegen den Verlust des Dörflichen an Parndorf.

Spielen und sparen, jetzt

Groß sparen mag er dabei nicht, der Bürgermeister. Im burgenlandweiten Ranking bei der sogenannten "freien Finanzspitze" liegt das reiche Parndorf unter den 171 Gemeinden auf Rang 131. Wolfgang Kovacs, der einst bei der KPÖ beschäftigt gewesen ist, will das Geld ausgeben. "Wir bedienen un sere Schulden, aber mehr nicht. Soll ich den Kindern sagen, jetzt muss gespart werden, aber in zwanzig Jahren kriegt's eh einen Spielplatz?"

Viele seiner Bürgermeisterkollegen, nicht nur im Burgenland, werden freilich neidvoll seufzen: Der hat gut reden, der Parndorfer. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, 27.8.2012)