Ist das noch Nägelkauen oder schon Handknabbern? Eine Skulptur von Juan Muñoz von 2001.

Foto: Christie's

Dass Wirtschaftskrisen gigantische Mengen an Kapital in den Kunstmarkt spülen, ist längst erwiesen. Besonders der durch Mikrozinsen und Inflation angeheizten Flucht in Sachwerte sei Dank. Verschärft wird die Situation durch den Euro-Wertverfall und den daraus resultierenden Kaufkraftverlust der europäischen Topoi. Der traditionelle Seismograf Goldpreis, dem laut Analysten ein heißer Herbst bevorstehe, führte dies seit Anfang des Jahres ebenso vor Augen wie die Umsatzentwicklung auf dem internationalen Kunstmarkt, gerade im Bereich zeitgenössischer Kunst.

Beispielhaft dafür standen die New Yorker Post War & Contemporary Auktionen im Mai, wo an nur zwei Abenden 102 Kunstwerke zum Gegenwert von etwas mehr als 655 Millionen Dollar den Besitzer wechselten. Ein historischer Höchstwert insgesamt, und für Christie's mit einem Anteil von 388,48 Millionen (für 56 Kunstwerke) im Speziellen. Dort summierte sich der Umsatz dieser Sparte seit Anfang des Jahres auf 921,8 Millionen Dollar bzw. stieg er um 31 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2011.

Auch in Österreich lieferte dieses Segment eine mehr als akzeptable Performance. Im Dorotheum verzeichnete man Mitte Mai mit 5,61 Millionen Euro den höchsten Spartenumsatz in der Geschichte des heimischen Kunstmarktes. Dass sich ein heimischer Sammler damals für 754.800 Euro eine Arbeit Anish Kapoors aus der Offerte fischte, als Draufgabe noch einen Otto Muehl (61.300 exkl. Folgerecht) gönnte, dürfte auch international als repräsentativ für das hierzulande schlummernde Potenzial erkannt worden sein.

Im Vorfeld der Oktober-Auktionen in London (11.-13. 10.) bringen sich die beiden Giganten Christie's und Sotheby's nun in Stellung, und zwar explizit auf österreichischem Terrain. Zum Auftakt gastiert Christie's zum Abschlusswochenende der Festspiele mitsamt einer kleinen Entourage im Salzburger Palais Neustein (31. 8. - 2. 9.): Zu den aus London entsendeten Blickfängen gehört etwa die Polyesterskulptur eines Nagelbeißers des Spaniers Juan Muñoz (300.000-400.000 Pfund). Oder auch ein blutrotes Concetto Spaziale Lucio Fontanas (2,2-2,8 Mio. Pfund), mitsamt eigenhändiger Widmung des Künstlers, "in Erinnerung an ein Mittagessen mit Quasimodo" - freilich nicht Victor Hugos Glöckner von Notre-Dame, sondern der befreundete italienische Lyriker und Nobelpreisträger Salvatore.

Sotheby's präsentiert Vergleichbares wiederum im Umfeld der Viennafair (20.-23. 9.). Inoffiziell wird diese "Partnerschaft" im Hinblick auf die Top-Kundenkartei von Sotheby's wohl auch dem Veranstalter von Nutzen sein, strategisch sicher, vermutlich auch wirtschaftlich. (kron, Album, DER STANDARD, 25./26.82012)