Die Opuntien mögen die zunehmend milden Winter in der Wachau.

Foto: Zoofari

Auch der Spinnenläufer fühlt sich in Österreich heimisch.

Foto: Herrnböck

Wien - Er hat 30 Beine, wird bis zu 15 Zentimeter lang und hat in Österreich eigentlich nichts verloren. Doch Exoten wie der Spinnenläufer (Scutigera coleoptrata), ein Hundertfüßer aus dem Mittelmeerraum, wandern immer häufiger in den Norden.

Meistens werden sie von Menschen eingeschleppt, doch der Klimawandel treibt fremde Arten zunehmend in kühlere Gebiete. Bereits 2011 warnten Forscher aus Großbritannien und Taiwan im Fachmagazin Science, dass die Erderwärmung der vergangenen 40 Jahre Flora und Fauna weit stärker beeinflusst als bislang angenommen - in manchen Fällen zwei- bis dreimal so schnell.

Weil die größten Wanderungen in den stark erwärmten Regionen auftraten, sehen die Wissenschafter den direkten Zusammenhang mit der Erderwärmung gegeben. Statistisch gesehen haben sich einige Arten innerhalb eines Jahrzehnts 17 Kilometer vom Äquator entfernt oder ihren Lebensraum rund elf Meter bergauf verlegt.

Invasor Marienkäfer

Prominente Invasoren sind auch der Tigermoskito (Aedes albopictus) oder der asiatische Marienkäfer (Harmonia axyridis), der erstmals 2006 in Österreich nachgewiesen wurde. Einst zur Schädlingsbekämpfung nach Belgien importiert, vermehrt er sich rasend schnell in freier Natur und bedroht andere Exemplare.

Schmetterlinge, Fische, Bergpflanzen - laut einer Studie des Umweltbundesamtes gibt es bereits mehr als 500 gebietsfremde Tiere in Österreich, das sind etwa ein Prozent der heimischen Population. Bei den Pflanzen macht der Anteil der Invasoren sogar ein Drittel aus.

Nur ein kleiner Teil davon ist gefährlich, im österreichischen Aktionsplan gegen invasive Arten sind 17 Pflanzen und sechs Tierarten aufgelistet, die heimische Spezies bedrohen. Der Schaden, der in ganz Europa durch die Aliens jährlich entsteht, beträgt dennoch rund zwölf Milliarden Euro.

Streng genommen gelten Tiere wie der Spinnenläufer nicht als gebietsfremd, weil sie es aus eigener Kraft in den Norden schaffen. Auch die Wespenspinne (Argiope bruennichi) und die Feuerlibelle (Crocothemis erythraea) wurden auf diesem Weg zu Einheimischen.

Winterharte Kakteen in der Wachau

Der Biologe Wolfgang Rabitsch vom Umweltbundesamt bestätigt, dass mediterrane Arten vom Klimawandel profitieren: "Mittlerweile gibt es sogar Kakteen, die in der Wachau wegen der milderen Winter überleben können."

Der Großteil der Eindringlinge seien Generalisten. "Sie haben keine großen Ansprüche an ihre Umwelt. Doch das ist für die Biodiversität problematisch, weil einheimische Spezialisten verdrängt werden", sagt Rabitsch. Pflanzensamen werden vom Wind oder von Fahrzeugen nordwärts getragen, wo sie sich ausbreiten können. An erster Stelle für die Durchmischung steht immer noch der Handel mit Hölzern, Pflanzen oder Tieren.

Die in besonders heißen Sommern auftretende Süßwasserqualle etwa wurde vermutlich mit Zierpflanzen aus Brasilien im 19. Jahrhundert nach Europa eingeschleppt. Steigt die Wassertemperatur über 25 Grad, werden aus den winzigen Polypen Quallen.

"Der Klimawandel hört nicht auf, im Gegenteil", sagt Rabitsch. Er prognostiziert - wie viele andere Forscher - eine starke Zunahme der Invasion durch fremde Arten. Verlierer sind vor allem kälteliebende Exemplare, das Bild vom Eisbären auf der schmelzenden Eisscholle ging um die Welt.

Rückzug in die Hochalpen

Auch in Mitteleuropa müssen Tiere im Gebirge immer weiter in die Hochalpen ausweichen - der Auerhahn etwa, der sich im Sommer von Heidelbeeren ernährt, für die es bald zu warm sein wird.

Profiteure des wärmeren Klimas sind Pilze. Der Parasit Batrachochytrium befällt und tötet Amphibien wie den Feuersalamander. Je milder die Winter, desto mehr kann sich der Pilz ausbreiten. Der Salamander aber ist ihm und anderen Faktoren wie Umweltverschmutzung oder Nahrungsknappheit ausgesetzt, weil er keine großen Strecken überwinden kann. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 23.8.2012)