Peter Kolba war auch schon bei uns im Chat. Thema: "Es gibt keine mündelsichere Aktie."

Foto: derStandard.at/Schueller Rainer

Strukturvertriebe für Finanzprodukte gehören verboten, sagt Peter Kolba vom Verein für Konsumenteninformation. Wie EU-Richtlinien das Verbraucherrecht schwächen, erklärt er Bettina Pfluger.

 

STANDARD: Wie zufrieden sind Sie mit unserem Verbraucherschutz?

Kolba: Wir haben einen guten materiellen Verbraucherschutz. Das große Problem ist, dass viele dieser Regelungen bei Gericht nicht durchsetzbar sind. Die typischen Streitigkeiten - Gewährleistung für Geräte etwa - haben einen kleinen Streitwert, das Kostenrisiko bei Gericht ist enorm. Daher läuft vieles über die Kulanz des Händlers. Es gibt es aber einen Anschub aus der EU. Vermutlich kommt heuer noch eine Richtlinie für außergerichtliche Streitbeilegung. Das entlastet die Gerichte.

STANDARD: Wie viel Platz bleibt bei den EU-Vorschriften für die Ausgestaltung auf nationaler Ebene?

Kolba: Die EU verfolgt mit ihren Richtlinien die Idee der Mindestharmonisierung. Man legt also ein bestimmtes Niveau fest, den einzelnen Staaten ist es erlaubt, darüber hinaus zu gehen. Von EU-Lobbyisten wird versucht, diese Standards Richtung Vollharmonisierung zu kippen. Dann dürfte man kein besseres Niveau mehr gewähren. Das kann für Verbraucher zu Rückschritten führen.

STANDARD: Gibt es ein Beispiel, was in Österreich schlechter würde?

Kolba: Die Verbraucherrechtsrichtlinie ist derzeit in der Umsetzungsphase, da gibt es die Problematik bereits. Da wird das unbefristete Rücktrittsrecht im Fall der Nichtinformation über das Rücktrittsrecht nunmehr doch wieder befristet werden müssen.

STANDARD: Im Anlagebereich gibt es große Lücken. Mit vielen OGH-Urteilen wird erst jetzt eine rechtliche Basis geschaffen ...

Kolba: Aus der Sicht von Geschädigten ist das eine Zumutung. Selbst zu formellen Fragen gibt es oft keine klare Judikatur. Man weiß noch nicht mal genau, wie ein Klagebegehren richtig zu formulieren ist; ob man eine Feststellungsklage einbringen kann oder auf Leistung klagen muss. Wenn da etwas schief geht und in der Zwischenzeit Ansprüche verjähren, ist das höchst unbefriedigend.

STANDARD: Der Anlegerschutz erfährt trotz der vielen Skandale kaum Aufwertung.

Kolba: Auf privater Basis gibt es nur den Interessenverband für Anleger. Einen offiziellen Beauftragten dafür kenne ich nicht. Außer man sagt, die Finanzmarktaufsicht soll auch im Sinne des Anlegerschutzes den Markt überwachen. Da musste man zuletzt aber eher darauf schauen, wie man die staatliche Haftung für die Fehler der FMA bzw. der Bankenaufsicht davor begrenzt als dass man da besonders investiert hätte.

STANDARD: Gibt es keine Lehre aus den vielen geschädigten Anlegern?

Kolba: Im Wesentlichen nicht. Die einzige Konsequenz bisher ist, dass man den Finanzdienstleistungsassistenten, der ohne Prüfung losziehen konnte, abgeschafft hat und jeder Vermittler jetzt eine Ausbildung machen muss. Aber das waren nicht die Punkte für die Skandale.

STANDARD: Sondern?

Kolba: Auf Vertriebsebene war es das Provisionssystem. Erhält der Berater vom Emittenten eine Provision, ist er immer in einem Interessenkonflikt. Hinzu kommt, dass die Provision für verschiedene Produkttypen unterschiedlich groß ist. Da wird man ja dazu hingeführt, nur bestimmte Produkte zu verkaufen. Das zweite ist der Strukturvertrieb, das ist die absolute Verschärfung. So kann man vielleicht Plastikgeschirr verkaufen. Veranlagungen nicht. Das ist echt gefährlich. Dagegen hat die Politik nichts unternommen.

STANDARD: Sind Sie für ein Verbot von Strukturvertrieben?

Kolba: Ja. Der Anstoß wäre da. Das Problem liegt mehr als auf dem Tisch. Die Gefahren hat die Praxis gezeigt. Es fehlt einfach, die Konsequenz daraus zu ziehen.

STANDARD: Die Frage ist aber schon auch, wo der Hausverstand endet und sich Leute alles aufquatschen lassen ...

Kolba: Ich akzeptiere bei den tausenden Fällen von Immofinanz, AvW etc. nicht das Argument der Gier, das die Leute in die Veranlagung getrieben hat. Gierig war der Berater, der hat das ja nur empfohlen, um seine Provision zu maximieren. Und die Leute sitzen jetzt auf Produkten, die sie so nie gezeichnet hätten und haben den Schaden.

STANDARD: Welche Wünsche richten Sie an die Politik?

Kolba: Es braucht eine geordnete Gruppenklage. Mit dem AWD (der VKI vertritt rund 2500 Leute; Anm.) diskutieren wir seit drei Jahren über Vorfragen zum Prozess. Das muss gesetzlich klar geregelt werden. Dazu gibts vom Justizministerium seit 2007 einen Entwurf in der Schublade, der von der Politik nicht umgesetzt wird. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, 22.8.2012)