Sarah Spiekermann ist Professorin an der Wirtschaftsuniversität Wien, wo sie dem Institut für BWL und Wirtschaftsinformatik vorsteht. Seit über 10 Jahren lehrt und forscht sie zu sozialen Fragen der Internetökonomie und Technikgestaltung.

Foto: Sarah Spiekermann

Gestern habe ich mich von Facebook abgemeldet. Was für ein super Gefühl! Genau so, wie Hape Kerkeling es in seinem Buchtitel ausdrückt: "Ich bin dann mal weg". Ich weiß, daß einige meiner prominentesten Postingfreunde mich für verrückt erklären werden. Wie kann man nur so einen günstigen Vertriebskanal für die Eigenmarke aufgeben? Aber ich finde das eigentlich einen ganz normalen Schritt. Facebook ist doch out, oder nicht? Ist der fallende Aktienkurs nicht ein klares Indiz dafür?

Auf jeden Fall ist es so, dass in meinen eigenen Studien mit über 1500 Facebook-Usern in Österreich und Deutschland im letzten Winter 53% der Befragten angaben, schon mal darüber nachgedacht zu haben, ihre Zeit auf Facebook zu reduzieren. 47% haben zugestimmt, dass Facebook sie zunehmend langweilt. Und 72 % sagen sogar, dass wenn Facebook alle ihre Informationen morgen löschen würde, würden sie diesen nicht nachtrauern.

Also wozu länger Zeit dort verlieren? Nur aus Mangel an Alternativen? Was interessiert mich die alte Pizza auf dem Essenstisch eines entfernten Verwandten? Die meisten Leute geben ohnehin auf Facebook nicht das preis, was sie wirklich beschäftigt. Nur rund 20% tun das. Der Rest der Gemeinde sind Mitleser (34%) oder sogar Zyniker (34%)! Und nur 11% glauben daran, dass sich die Leute in Facebook ehrlich so darstellen, wie sie sind. 

Channel Overload

Neben dieser recht ernüchternden Faktenlage, die gegen die langfristige Dominanz des sozialen Netzwerks spricht, gibt es aus meiner Sicht noch drei weitere Gründe, warum Facebook den Zenit seiner eigenen Bedeutung überschritten hat (zumindest in der gegenwärtigen Form): Zum einen ist da der "Channel Overload". "Channel Overload" bezieht sich auf ein Gefühl der Überforderung, das sich einstellt, wenn das breite Spektrum von digitalen Kanälen Überhand nehmen, die heute zeitgleich und permanent unsere Aufmerksamkeit einfordern.

Irgendwann kippt das Ganze und die Leute steigen bei der einen oder anderen Plattform aus. Zweitens glaube ich, dass sich viele Leute die Haltung der Firma Facebook zum Datenschutz nicht mehr lange gefallen lassen. Wenn beispielsweise die Schufa beginnt, die Kreditwürdigkeit von Leuten auch auf Basis von deren Facebook-Profilen zu bewerten, dann hört jeder Spaß am like-button-Duddeln auf. 72% meiner Befragten gaben übrigens an, dass sie die Weiternutzung ihrer Facebook Informationen am liebsten unterbinden würden. Und schließlich ist da noch dieses wissenschaftlich interessante Phänomen der Besitzpsychologie. Wir finden dieses ganz klar bei unseren untersuchten Facebook-Usern. Ungefähr 30% haben sie ausgebildet.

Wer sie hat, der identifiziert sich stark mit seinem eigenen Profil, empfindet die eigenen Informationen als persönlichen Besitz und fühlt sich auf der Plattform zu Hause. Aber wie bei so vielen Anschaffungen, die man so macht, ist doch eins klar: irgendwann muss mal wieder was Neues her! (Sarah Spiekermann, derStandard.at, 20.8.2012)