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Eigenwillige Songfolge: Robert Smith von The Cure.

Foto: APA/HERBERT P. OCZERET

St. Pölten - Die Sonne lacht, die Traisen plätschert, ein adoleszenter Sklave wird von seiner Herrin um einen Euro als Reitpony feilgeboten. Auch am Samstag ist die Festival-Welt beim Frequency also so, wie sie sich die Besucherscharen nur wünschen können.

Für die Hintergrundmusik sorgen am Nachmittag etwa Katzenjammer oder Milow. Erstgenannte sind vier voll freche Norwegerinnen, die Country mit Balkan-Folklore kombinieren, gerne bunte Kostüme tragen und ihre Instrumente wechseln. Verweise auf den Bandnamen sind verboten. Milow hingegen ist ein Belgier, der sich in seinen Liedern nach California oder Canada wünscht. Also Hauptsache etwas mit C und weit weg. Seine freundlich-faden Lieder könnten nicht besser in das Ambiente passen, da diese aber nicht vom Festivalverlautbarungsorgan FM4, sondern dem bösen großen Bruder gespielt werden, ist Mitschunkeln schon als besondere Kaltschnäuzigkeit zu werten. Für größere Ausgelassenheit sorgen die zappeligen Londoner Hot Chip. Ihr Verständnis von smartem Electropop bedeutet das Kombinieren gelber Hosen mit Denim-Lätzchen und, so simpel wie effektiv, das Aufstellen von bis zu drei gleichzeitig kloppenden Schlagwerkern. Das geht in die Beine, das macht Laune.

Statischer das Auftreten von Bloc Party, die sich auf das Charisma von Sänger Kele Okereke verlassen. Der Song Kettling wird Pussy Riot gewidmet, das potenzielle Highlight Positive Tension durch die Überforderung des zum Mitsingen angeleiteten Publikums versemmelt.

Dennoch erhält die zackige Gitarrenmusik großen Zuspruch. Während daraufhin die schambefreiten Sportfreunde Stiller auch nach Jahren der Unvermeidbarkeit noch immer erstaunliche Publikumsmengen anziehen, steht auf der Nebenbühne mit The xx das größtmögliche Kontrastprogramm auf dem Spielplan. Es ist der erste Österreich-Auftritt der drei Engländer, die neben den allzu menschelnden Sportfreunden wie Wesen von einem anderen Stern wirken.

Ganz der Reduktion verschrieben, veröffentlichten sie auf ihrem 2009 erschienenen Debüt funkelnde Musikperlen, die wie das Aufblitzen eines Stroboskops für einen kurzen Moment den Blick auf eine perfekte eingefrorene Welt erlauben. Neue Songs, die den Klangkosmos des Trios behutsam um ein, zwei Beats erweitern, fügen sich bei dem Auftritt nahtlos ein, dazu wallt der Nebel, ein kühles Feuer glimmt. Und auch wenn diese Musik kaum für die große Festivalsause gemacht scheint, funktioniert sie auch hier, bekommt durch den ungehemmt dröhnenden Bass eine neue, auch körperlich schmerzende Note.

Ähnlich blass wie The xx, jedoch reicher an Jahren und Volumen präsentieren sich schließlich die Grande Dame des Gothic Rock, Robert Smith, und seine aktuellen Mitarbeiter von The Cure. Fast zweieinhalb Stunden spielen sie sich recht forsch durch die über dreißigjährige Bandgeschichte. Der reaktivierte Roger O'Donnell hat zu Beginn ziemlich mit seinem Keyboard zu kämpfen, Smith zeigt sich dennoch in Spiellaune. Die eigenwillige Entscheidung des sturmfrisierten Maestros, die größten Hits am Anfang und in der Zugabe zu bündeln, sorgt allerdings neben der späten Stunde und kaum vorhandenen Bühnenshow für Besucherschwund. So wird es mehr zum Fest für die langgedienten Fans. Die Jugend feiert inzwischen anderswo. (Dorian Waller/DER STANDARD, 20. 8. 2012)