Bei den Privatisierungen das richtige Maß an Professionalität zu finden ist offenbar nicht leicht. Ein Bravourstück liefern, wie die Voest-Malaise zeigt, Finanzminister Karl-Heinz Grasser und seine entpolitisierte Verstaatlichtenholding ÖIAG. Beide reden ständig der Privatisierung das Wort. An den Taten gemessen, fällt die Bilanz aber vernichtend aus.

Die beiden ÖIAG-Vorstände haben es geschafft, von einem Fettnäpfchen ins andere zu steigen. Privatisiert haben Peter Michaelis und Rainer Wieltsch - im Gegensatz zum hinausgeschmissenen rot-schwarzen Trachtenpärchen Rudolf Streicher und Johannes Ditz - noch praktisch nichts.

Den Anfang im Ranking macht der Postbus. Genehmigt das Kartellgericht den Deal, dann wird Österreichs größte Linienbusgesellschaft zwar verkauft, von Privatisierung kann beim Käufer ÖBB aber nicht die Rede sein. Dann beteiligte sich die ÖIAG an der Voest-Kapitalerhöhung und reverstaatlichte den Konzern de facto. Die Post wollte man der mehrheitlich in Staatsbesitz befindlichen Deutschen Post in den Rachen schieben, und nun will man auch noch die Telekom Austria zu einem unselbstständigen Wählamt der staatlichen Swisscom machen.

Auf jede Aktion folgt - völlig zu Recht - ein Aufschrei der Öffentlichkeit und ein Rückzieher der ÖIAG. Justament nicht angegangen werden nur jene Verkäufe, die auf der Hand liegen: Böhler und Voestalpine. Für beide Unternehmen gibt es Käufer en masse, für die die ÖIAG den roten Teppich ausrollen müsste. Der Schaden ist im Fall der Voest bereits beträchtlich, er kann nur minimiert werden, wenn sich die ÖIAG schleunigst auf 25 Prozent zurückzieht, indem sie neun Prozent an institutionelle Investoren veräußert. Falls irgendjemand Licht ins Dunkel der ÖIAG bringen könnte, der Steuerzahler wäre dankbar. (Der Standard, Printausgabe, 28.06.2003)