Bern - Angesichts der Zunahme von Selbstanzeigen deutscher Steuerbetrüger spricht sich die Opposition in Deutschland für den weiteren Ankauf von Daten aus dem Ausland aus. "Der Anstieg ist eine klare Folge der angekauften Steuer-CDs", sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß. "Er zeigt, dass der Druck auf die Schweiz und die Steuerhinterzieher aus Deutschland hoch gehalten werden muss." Pikant dabei: Die Selbstanzeige soll nicht strafbefreiend wirken.

Das umstrittene Steuerabkommen Deutschlands mit der Schweiz steht damit auf der Kippe. Trotz wachsender Kritik aus Deutschland zeigt sich die Regierung in Bern unbeeindruckt. Sie will an den Vereinbarungen nicht rütteln. "Es wird keine Nachverhandlungen geben", stellte der Schweizer Regierungssprecher André Simonazzi am Mittwoch klar.

Auch die deutsche Bundesregierung sah zuletzt keinen Spielraum für Nachverhandlungen. Damit sinken die Chancen weiter, dass das bereits unterzeichnete Abkommen zur Besteuerung von Schwarzgeld deutscher Steuerbetrüger sowie künftiger Kapitalerträge von Kunden Schweizer Banken wie geplant 2013 in Kraft tritt. Die Bundesregierung ist im Bundesrat auf Zustimmung von SPD und Grünen angewiesen - und die sind gegen die Vereinbarung. Auch in der Schweiz wächst der Widerstand gegen das Abkommen.

Keine Straffreiheit

Finanzämter lehnen einem Zeitungsbericht zufolge Selbstanzeigen von Steuerhinterziehern mit Schwarzgeld in der Schweiz häufig ab. Die Behörden würden dies damit begründen, die Straftat Steuerhinterziehung sei durch die Berichte über die Auswertung der Steuer-CDs mit Bankdaten der Hinterzieher bereits entdeckt worden, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". "Straffreiheit kann daher nicht eintreten", heiße es in den Schreiben der Beamten. Dafür sei es nun zu spät.

Die Beamten würden sich sich auf eine ihnen vorliegende Liste mit den Daten von rund 4000 Deutschen berufen, die Schwarzgeld bei der Credit Suisse deponiert haben sollen, schreibt das Blatt. "Die Finanzverwaltung in Nordrhein-Westfalen hat eine ganz harte Linie eingenommen", zitierte die Zeitung einen Steuerstrafverteidiger. Er habe bereits etliche solcher Schreiben gesehen.

 

Ohne Anonymität keine Freude

In Nordrhein-Westfalen sind seit Frühjahr 2010 nach Angaben von Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) 6.505 Selbstanzeigen eingegangen. Nach einer spürbaren Flaute im ersten Halbjahr ziehe die Zahl reuiger Steuerbetrüger mit Schweizer Schwarzgeld seit einigen Wochen wieder deutlich an, erklärte er.

Seitdem sich immer deutlicher abzeichne, dass das Steuerabkommen mit der Schweiz wohl nicht in Kraft treten werde, erhöhe sich der Druck auf diejenigen, die Schwarzgeld in dem Alpenland hätten. Die schwindende Aussicht auf eine anonyme pauschale Nachversteuerung mit Straffreiheit und die Angst vor Entdeckung steigerten die Bereitschaft zur Selbstanzeige. "Das ist der beste Beweis dafür, dass die Steuerhinterzieher das Abkommen nicht fürchten, sondern darauf hoffen", meinte Walter-Borjans.

Tausende reuige Anleger

In Baden-Württemberg hat sich nach Bekanntwerden der jüngsten Ankäufe von Steuer-CDs die Zahl der Selbstanzeigen von Steuerbetrügern laut Finanzministerium etwas erhöht. Zum Stichtag 15. Juli seien es 9.074 Selbstanzeigen gewesen, zum 8. August 9361. Bis vergangenen November hatten sich 8.437 Steuerbetrüger gemeldet, was zu Steuereinnahmen von 290 Millionen Euro geführt hatte.

In Berlin meldeten sich vom 27. Juni bis 8. August 61 Steuerhinterzieher. Im gesamten zweiten Quartal waren es 42. In Hamburg machten sich laut "Financial Times Deutschland" in den letzten beiden Juliwochen 14 Steuersünder ehrlich.

In Rheinland-Pfalz gab es laut der Wochenzeitung "Die Zeit" 4.107 Selbstanzeigen, im Land Hessen 4.081. Die wenigsten Selbstanzeigen kamen aus Mecklenburg-Vorpommern (20), aus Sachsen-Anhalt (30) und aus Thüringen (68). In diesen Zahlen nicht enthalten ist Bayern, das derlei Daten nach eigener Auskunft nicht zentral erhebt.

Insgesamt meldeten sich seit 2010 nach Angaben der "Zeit" mehr als 29 000 Steuerhinterzieher bei den Behörden. Die zusätzlichen Steuereinnahmen aus diesen Fällen betrugen 1,5 Milliarden Euro. In dieser Summe fehlen die nicht erhobenen Daten aus Bayern und Rheinland-Pfalz.

Schweizer Politiker sieht sich mit Österreich fix im Boot

Schon in der Vergangenheit nahmen mit Hilfe aufgekaufter Daten aus Nachbarländern strafbefreiende Selbstanzeigen Betroffener zu. Der Fiskus konnte auch schon bei Gerüchten über neue Daten-CDs profitieren. Die schwarz-gelbe Koalition hatte die Regeln für Selbstanzeigen reuiger Steuerbetrüger verschärft.

Der Schweizer Parlamentspräsident glaubt indes, dass das Steuerabkommen zwischen Österreich und der Schweiz hält. Hans Altherr, Präsident des schweizerischen Ständerates, ging in einem Interview mit den "Vorarlberger Nachrichten" davon aus, dass das Steuerabkommen mit Österreich eine Volksabstimmung übersteht: Die Volksinitiative richte sich vor allem gegen das Abkommen mit Deutschland. Dieses sei weitreichender. (APA, 15.8.2012)