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Autos zählen zu den Exportschlagern Deutschlands.

Foto: dapd/David Hecker

Berlin/Tokio - Vom Abbau der wirtschaftlichen Ungleichgewichte ist man innerhalb der EU nach wie vor meilenweit entfernt. Ganz im Gegenteil: Deutschland wird heuer wohl den weltweit größten Exportüberschuss aufweisen. Die OECD rechnet mit einem Leistungsbilanzüberschuss (Saldo aus Güter-, Dienstleistungs- und Einkommensströmen) von rund 200 Milliarden Dollar. Das Münchener Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo rechnet sogar mit einem Plus von 210 Milliarden Euro, schreibt die Financial Times Deutschland.

Weder Exportweltmeister China noch Japan oder die ölexportierenden Länder - die ebenfalls mehr Waren und Kapital ausführen als importieren - kämen da mit. Gemessen an der Wirtschaftsleistung (BIP) dürfte der Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands wohl über der EU-Toleranzgrenze von sechs Prozent liegen, rechnet das Ifo.

Möglicherweise wird Deutschland daher 2013 von der Kommission gerügt. Als Lehre aus der Krise hat diese nämlich ein Frühwarnsystem entwickelt, um auf allzu große Ungleichgewichte reagieren zu können. Beobachtet werden zehn Indikatoren - unter anderem die Verschuldungssituation (Staat und privat), der Immobilienmarkt oder die Entwicklung des Arbeitsmarktes.

Bei der ersten Prüfung Anfang des Jahres wurden zwölf Staaten näher unter die Lupe genommen - nicht aber Deutschland und Österreich. Entscheidend ist dabei das wirtschaftliche Gesamtbild. Kleinere Abweichungen werden eher toleriert, selbst wenn diese in mehreren Bereichen vorliegen. Estland lag beispielsweise in fünf Kategorien außerhalb der Parameter, kam aber ohne Mahnung davon. Die größten Probleme stellte die Kommission bei Spanien und Zypern fest.

Ob Deutschland daher tatsächlich ermahnt wird, bleibt abzuwarten. Bei der Frühjahrsbewertung lag die Bundesrepublik nur in zwei Kategorien geringfügig außerhalb der Vorgaben. Zum Vergleich: Österreich lag nur bei der Verschuldung (Staat und Privat) leicht über den Referenzwerten. Der Leistungsbilanzüberschuss fiel mit 3,5 Prozent wesentlich geringer aus als beim Nachbarn Deutschland. Für heuer und 2013 rechnen Wifo und IHS sogar mit noch niedrigeren Werten.

Die OECD rät Deutschland, dem Ungleichgewicht mit stärkeren Investitionen zu begegnen. "Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu verschlechtern - etwa durch höhere Lohnsteuern - ist nicht vernünftig", sagte der bei der OECD für Deutschland zuständige Österreicher Andreas Wörgötter der Nachrichtenagentur Reuters. Stattdessen müssten Investitionen in den Dienstleistungssektor erfolgen, wodurch der Konsum im Inland angeregt werde. Dann verringere sich der Exportüberschuss automatisch, so Wörgötter.

Dazu schlägt die OECD vor, für mehr Wettbewerb, vor allem bei Handwerksberufen, zu sorgen. "Wird der hohe Exportüberschuss dadurch verringert, ist das für Deutschland eine Win-win-Situation, weil die Wirtschaft dann stärker wachsen kann und weniger vom Ausland abhängig wird."

Die deutsche Regierung sah sich in ihrem Kurs bestätigt. Für eine ausgewogenere Entwicklung wäre es eher dienlich, wenn Länder mit Schwächen ihre Wettbewerbsfähigkeit verbesserten, sagte ein Sprecher.

Japan wächst kaum noch

Schwache Konjunkturdaten meldete die japanische Regierung. Die Wirtschaft wächst wegen der Euroschuldenkrise und der globalen Konjunkturabkühlung kaum noch. Das Bruttoinlandsprodukt stieg zwischen April und Juni lediglich um 0,3 Prozent. Das war nur die Hälfte des von Experten erwarteten Anstiegs. Im ersten Quartal lag das Wachstum noch bei 1,3 Prozent. (go, DER STANDARD, 14.8.2012)