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Serbisch ist in Wien die zweithäufigste Umgangssprache.

Foto: APA/Philipp Schalber

Wien - Der "Viner Šme" könnte, mit etwas Fantasie, noch vergleichsweise leicht als Wiener Schmäh ausgelegt werden.

Bei Ausdrücken wie "Bite Hochdojč" (Bitte Hochdeutsch) oder "ferštendnisfol" (verständnisvoll) braucht es schon etwas mehr Sprachbegabung. Kein Wunder: Die Wörter gibt es in keiner Sprache, sollen aber verständlich machen, wie Serbisch ausgesprochen wird. Es handelt sich um Lautschrift deutscher Begriffe mit serbischer Schreibweise.

Varianten einer Sprache

Goran Novaković hatte die Idee dazu. Der Autor und Übersetzer unterrichtet seit mehr als 20 Jahren an den Wiener Volkshochschulen. Für ihn sind Bosnisch, Kroatisch und Serbisch Varianten von ein und derselben Sprache. Kompliziert ist es allemal: Bis in die 1990er-Jahre, als das sozialistische Jugoslawien in Einzelstaaten zerfiel, wurde offiziell Serbokroatisch/Kroatoserbisch in Bosnien, Kroatien, Serbien und Montenegro gesprochen. Die heutigen Nationalsprachen, die aus dieser Entwicklung hervorgingen, basieren alle auf dem stovakischen Dialekt.

Allerdings gibt es viele feine Unterschiede, die von manchen Linguisten (und Nationalisten) so weit gedeutet werden, dass es sich um völlige verschiedene Sprachen handelte. "Nenn mich auch du Krug, aber zerbrich mich nicht", kommentiert Novaković diese Bestrebungen. Solange die Menschen keinen Übersetzer untereinander bräuchten, können sie ihre Sprache beliebig nennen.

Unterschiedliche Aussprache

Der größte Unterschied liegt, neben dem Satzbau, in der Aussprache: Ekavisch und Ijekavisch. Milch wird dann beispielsweise als "Mleko" im Serbischen oder "Mlijeko" in den übrigen drei Ländern ausgesprochen.

Serbisch wird zudem als einzige der drei Varianten nicht nur in lateinischer, sondern offiziell auch in kyrillischer Schrift geschrieben. Lehnwörter aus dem Deutschen, dem Französischen oder Türkischen sind recht beliebt. "Die Kroaten hingegen hüten ihren slawischen Wortschatz weit mehr und verwenden weniger Fremdwörter", erklärt Novaković. Er lehrt in seinen Kursen beide Aussprachen, das sei die einzig objektive Möglichkeit.

Goethe sagt Danke

Als die kyrillische Schrift und Sprache des Serbischen im 19. Jahrhundert kodifiziert wurde, passierte dies übrigens in Wien: Vuk Stefanović Karadžić, ein serbischer Philologe und Sprachreformator flüchtete vor den Osmanen nach Wien, wo er die wichtigsten Werke in der Marokkanergasse drucken ließ. Karadžić gelang es damals, die Volkssprache der Serben orthografisch einfacher zu gestalten, damit mehr Menschen sie lesen können.

Sogar Johann Wolfgang von Goethe bedankte sich einmal in einem Brief bei Karadžić, der ihm mit einer wörtlichen Übersetzung "schöner serbischer Lieder sehr viel Freude" gegeben hat.

Rund 250.000 Serben in Österreich

Die ersten Serben siedelten sich bereits im 17. Jahrhundert in Österreich an. Nach einer Schätzung der Österreichisch-Serbischen Gesellschaft leben in Österreich rund 250.000 Menschen mit ethnisch serbischer Abstammung, die Statistik Austria zählte 2011 rund 210.000. Nach den Deutschen bilden sie also die zweitstärkste Community, Serbisch ist in Wien die zweithäufigste Umgangssprache.

Novaković falle es auf, dass viele Jugendliche serbische Wörter in perfekte Wiener Sätze einbauen. Die jüngere Generation habe mehr Probleme, die anderen Sprachen zu verstehen, meint er. Zum einen kamen mit der Etablierung der Nationalsprachen neue Wörter dazu, zum anderen würden die noch präsenten Erinnerungen an den Krieg die Reisen und den Austausch zu den anderen Ländern erschweren. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 14./15.8.2012)