Kunst im Rathaus und viele internationale Feste: So versucht man in Markham die Zuwanderergruppen zusammenzuhalten.

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Der kanadische Betreuer der österreichischen Delegation staunt nicht schlecht, als er das Begehr hört: Man möge Staatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) und seinem Team doch die schlimmste Wohngegend von Markham zeigen. Der Busfahrer biegt ein paarmal ab, und da ist er also, jener Stadtteil, in dem die weniger betuchten Bewohner des 300.000-Einwohner-Städtchens am Rande Torontos leben. Man könnte auch sagen: residieren. Schmucke kleine Häuschen, gepflegte Einfahrten, das eine oder andere Auto mit Stern in der Einfahrt. Es könnte wahrlich schlimmer sein.

Denn Markham ist seit einigen Jahren jene Stadt mit dem höchsten Anteil an Zuwanderern in ganz Kanada. Mehr als 50 Prozent wurden im Ausland geboren, etwa 60 Prozent gehören einer "sichtbaren Minderheit" - oder, wie Bürgermeister Frank Scarpitti gern sagt, einer "sichtbaren Mehrheit" - an. Während sich Gemeinden in Österreich eher mit schönem Blumenschmuck oder Radfahrerfreundlichkeit rühmen, hat Markham seine bunte ethnische Zusammensetzung zur Trademark erhoben.

Die Besten der Besten sollen kommen

Das hängt ursächlich mit der kanadischen Grundhaltung zum Thema Zuwanderung zusammen. Das Punktesystem honoriert Ausbildung, Sprachkenntnisse und Berufserfahrung; die Besten der Besten, so will es die Politik, sollen nach Kanada kommen, und in Markham finden sie vielversprechende Arbeitgeber: IBM, Motorola, Apple. "Wir sind Kanadas Hightech-Hauptstadt", sagt Bürgermeister Scarpitti stolz.

Er hat noch mehr solcher griffiger Slogans auf Lager. "Experience the whole world in your neighbourhood" - das hat sich die Stadt auf die Fahnen geheftet. Fast jede Woche gebe es was zu feiern, Weihnachten, Ramadan, Hanukkah, diverse Neujahrsfeste, und erst kürzlich habe man anläss- lich des 50-Jahr-Jubiläums der Unabhängigkeit Jamaikas die schwarz-grün-gelbe Fahne auf dem Hauptplatz gehisst. Großartiges Essen gebe es bei diesen Festen immer, sagt Bürgermeister Scarpitti und hält sich lachend den rundlichen Bauch.

Beleibt und beliebt

Anlässlich des Besuchs des österreichischen Staatssekretärs sind Vertreter aller Zuwanderergruppen ins Rathaus von Markham gekommen. Sie streuen dem Bürgermeister Rosen, dieser schaue darauf, dass sich alle als Kanadier fühlen, während sie gleichzeitig der Kultur ihrer Herkunft treu bleiben könnten. 85 Prozent der Stimmen errang er bei der letzten Wahl.

Stolz trägt Scarpitti die prunkvolle Bürgermeisterkette um den Hals, als er mit den österreichischen Gästen durch die Hauptstraße der Stadt flaniert. Sie sieht aus wie die geschrumpfte Main-street von Disneyland: pittoreske kleine Häuschen, weiße Zäune, kein Fuzerl Müll auf der Straße. Aber statt Fastfood und Zuckerwatte gibt es Kulinarik aus aller Welt in den diversen Lokalen. Und man setzt hier auf Kunst - im Rathaus hängt gerade eine große Installation, die aus den kleinen weißen Suppenlöffeln besteht, wie man sie auch hierzulande aus asiatischen Lokalen kennt.

"This is not utopia"

Der Besucher, der so viel multikulturelle Harmonie gar nicht fassen kann, wird von Bürgermeister Scarpitti beruhigt. "This is not utopia", sagt er, auch Markham werde nur von Menschen bewohnt, die Animositäten hätten.

Man muss dennoch ganz schön lange nachfragen, um ein Thema zu finden, an dem sich Konflikte zwischen den Kulturen entzünden. Es habe da unlängst einen Disput um den Bau einer Moschee gegeben, erzählt ein Stadtbewohner. Aber da sei es natürlich nicht um Religion gegangen, sondern bloß um den Verkehr und den Lärm, den die Anrainer fürchten. (Andrea Heigl aus Toronto, DER STANDARD, 13.8.2012)