Um 1912 malte Kolo Moser dieses nunmehr verschollene Selbstbildnis (Ausschnitt): Im November 2010 wurde es im Dorotheum für 116.200 Euro versteigert. Beim neuen Besitzer kam das Bild jedoch nie an, sondern verschwand auf dem Transport nach London. Ermittlungen der Interpol verliefen ergebnislos.

Foto: Dorotheum

Für den Wiener war Kolo Moser der Mann der "Quadrateln", resümierte Hermann Bahr am Todestag seines Freundes. Die meisten hätten gemeint, er habe das Schachbrett erfunden, allenfalls ließe man noch seine Kunstgläser, seine Vorsatzpapiere gelten und nahm ihn für eine Art von höherem Auslagenarrangeur, notierte der auch als Kunstkritiker tätige Schriftsteller. Dabei sei Moser einer der sechs oder sieben Menschen dieser Zeit gewesen, die das Problem der Malerei bemerkt hätten. "Er wusste, dass wir über Cézanne hinaus müssen, aber über ihn auf seinem Weg nicht hinaus können. So stand er vor demselben Abgrund wie van Gogh."

Kolo(man) Mosers (1868-1918) künstlerische Vita hatte mit der Malerei begonnen, konkret über ein Studium an der Akademie der bildenden Künste, an der er bis 1893 studierte. Sein Abgang dürfte in inhaltlichen Differenzen mit dem Leiter der Spezialschule für Historienmalerei begründet gewesen sein, wie ein überlieferter Dialog vermuten lässt: "Ich sehe die Natur nicht mit Draht eingefasst" (Trenkwald) - "Das ist nicht Draht, das ist Stil, ist Vereinfachung" (Moser) - "Wenn Sie mir mit solchen Antworten kommen, können wir nicht miteinander arbeiten" (Trenkwald). Moser wechselte daraufhin in die Fachklasse für Malerei zu Franz von Matsch an die Kunstgewerbeschule, an jene Institution, an der er später (1900-1918) eine neue Generation an Kunstschaffenden unterrichten und prägen sollte.

Zuerst galt der Malerei seine Leidenschaft, die 1897 so abrupt endet, dass in den nächsten zehn Jahren überhaupt kein einziges Gemälde entstand, wie Gerd Pichler herausfand. Bisherige Datierungen in diesen Zeitraum erfolgten entweder irrtümlich oder für Bilder, die mittlerweile als Fälschungen entlarvt wurden, erklärt der Kunsthistoriker. In dieser Zeit entwarf der von Bahr als "Tausendkünstler" bezeichnete etwa Glasfenster (u. a. Secessionsgebäude, Kirche am Steinhof), Stoffe (Backhausen), Gläser (Bakalowits), Möbel (Portois & Fix) und gründete gemeinsam mit Josef Hoffmann und Fritz Waerndorfer 1903 die Wiener Werkstätte (WW). Dort zeichnete er für Interieurs verantwortlich, kreierte Möbel, Schmuck, Leder- und Metallarbeiten, Bucheinbände und auch Spielzeug.

1907 endete diese bis heute den Kunstmarkt dominierende Werkphase  mit dem Austritt aus der WW und der endgültigen Hinwendung zur Bildkunst. Im Mai 1911 gab er mit 53 (!) bis dahin ausgeführten Gemälden sein öffentliches Debüt als Maler, in der Galerie Miethke, damals die erste Adresse für zeitgenössische Kunst in Wien.

Inspiriert von Goethe

Die Reaktion der Kunstkritik fiel kontrovers aus: Die einen begeisterte die Abstraktion in Licht und Farbe, andere attestierten ein Virtuosentum, dem - im Gegensatz zu Kunstgewerblichem - Neues und Eigenes fehlen würde. Moser setzte seinen Weg unbeirrt fort, die Auswahl der richtigen Farben und ihre Wirkung zueinander blieben sein Schlüssel zur Vollendung, inspiriert auch von Ferdinand Hodler, ergänzt um das Studium theoretischer Schriften von Eugen Delacroix und vor allem Johann Wolfgang von Goethe, dessen Farbenlehre er als sein Evangelium bezeichnete.

Nach Mosers Tod im Oktober 1918 merkte der damalige Direktor des Kunstgewerbemuseums (heute Mak) treffend an, dass das, was man von ihm wusste und sah, gar nicht alles sei, was er zu sagen hatte. "In seinem Atelier und in seinen Skizzenbüchern und Mappen dürfte vieles sein, was uns ganz neue Seiten seines Könnens und Wollens zeigen würde."

Diesen Einblick bekam die Kunstwelt 2007 mit der allerersten von Rudolf Leopold initiierten Retrospektive. Und seit damals arbeitete Kurator Gerd Pichler an einem Werkverzeichnis der Gemälde. Ein Projekt, das schließlich mit Unterstützung der Kunsthändler Wienerroither & Kohlbacher realisiert werden konnte. Nun liegt diese bislang fehlende wissenschaftliche Publikation vor, die nicht ohne Bedeutung für den internationalen Kunstmarkt bleiben wird.   (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 11./12.8.2012)