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Karl-Heinz Florenz ist sauer auf Ernst Strasser. Dieser habe die österreichischen EU-Parlamentarier in Misskredit gebracht, sagt er.

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Strasser hat in Sachen Elektroschrott lobbyiert.

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Karl-Heinz Florenz ist stinksauer. Der Abgeordnete sitzt für die CDU im Europaparlament. Ernst Strasser hat in Gesprächen mit zwei "Sunday Times"-Journalisten, die sich als Lobbyisten ausgegeben haben, behauptet, dass er mit Florenz "drei, vier Biere" getrunken und sich mit ihm unterhalten habe. Das steht in den kürzlich vom "Kurier" veröffentlichten Protokollen der Gespräche mit den beiden Journalisten. "Ich habe mit Strasser nie Bier oder Wein getrunken und bin auch nie mit ihm an einem Tisch gesessen", erklärt Florenz jedoch im Gespräch mit derStandard.at. Vielmehr habe dieser ihn einmal am Flur angesprochen und ihm ein sehr seltsames Anliegen vorgetragen.

"Seltsames E-Mail"

Strasser sprach Florenz in dessen Funktion als Berichterstatter zur EU-Elektroschrott-Richtlinie an. "Ich hatte das Gefühl, er wusste nicht genau, um was es ging", erzählt Florenz. Deshalb habe er Strasser gebeten, ihm sein Anliegen schriftlich zu senden. Gekommen sei ein "seltsames" englischsprachiges E-Mail. 

Ein "lieber Freund"

derStandard.at liegt der Schriftverkehr vor (siehe PDF links). Strasser berichtet Florenz in einem E-Mail vom 16. Dezember 2010, dass ein "lieber freund von mir aus gb (gemeint ist Großbritannien, Anm.)" Sorgen wegen des Vorschlags des Europäischen Parlaments und des Rates zu der Richtlinie über Elektroschrott habe. Konkret geht es darum, dass vorgeschlagen werden soll, dass jene Geschäfte, die elektrische Geräte führen, alle "sehr kleine Geräte" zurücknehmen müssen.

Laut dem E-Mail wünscht sich Strassers Freund eine Änderung dieses Vorschlages. "I have two suggestions for making the amendment less damaging to its commercial interest", steht in dem Mail. Der Vorschlag solle so erweitert werden, dass Verkäufer von Elektrogeräten nur jene Geräte zurücknehmen müssen, die dort auch verkauft werden. Entsprechend dem Vorschlag dagegen - der am 3. Februar 2011 auch angenommen wurde - müssten Geschäfte kleine Elektrogeräte zurücknehmen, auch wenn sie sie nicht verkaufen.

"ich weiß, dass es ziemlich spät kommt, ich kann auch nicht wirklich beurteilen, ob sein ansinnen vernünftig ist, aber ich wollte ihnen seinen standpunkt weitergeben", schreibt Strasser in dem Mail, das er von der Adresse der Lobbyingfirma "Hofherr" schickt, nicht von seiner Abgeordenetenadresse.

Strasser "sofort abserviert"

Am 13. Jänner 2011 antwortet Florenz. "Die Änderung würde das amendment in weitem Sinne leerlaufen lassen", erklärt er darin. Das Amendment sei zudem ein Kompromiss, dem auch die Kollegen "unserer Fraktion" zugestimmt hätten. Er habe Strasser "sofort abserviert", erklärt Florenz heute. Strasser habe das auch sofort akzeptiert. Tatsächlich schrieb Strasser noch am selben Tag zurück: "herzlichen dank für die info. verstehe ich. ales (sic!) gute, ernst strasser". Ein paar Tage später, am 3. Februar, wird Strasser vor den englischen Journalisten mit seinen Kontakten zu Florenz angeben. 

"Sehr suspekt"

Das Anliegen sei "absurd" gewesen, so Florenz. Der Vorschlag sei "vollkommen konträr" zu seiner eigenen Politik gestanden. Er habe sich dafür eingesetzt, dass mehr Elektroschrott gesammelt werden solle, nicht weniger. Großbritannien sammle pro Jahr nur drei Kilogramm pro Kopf, dieser "miserable Wert" gehöre dringend verbessert. Im Vorschlag des Parlaments und des Rates ist von mindestens vier Kilogramm pro Kopf die Rede. Florenz selbst sei damals in engem Kontakt zur österreichischen Regierung gestanden, wo zehn Kilogramm pro Kopf gesammelt werden.

Das Anliegen Strassers stand also auch im Widerspruch zur österreichischen Politik. Auch deshalb sei ihm der Wunsch "sehr suspekt" vorgekommen. Zudem habe sich Strasser in seiner Arbeit davor nie mit diesem Sektor - also Elektroschrott - beschäftigt. Im Großteil seiner Redebeiträge im Europaparlament beschäftigt sich Strasser mit Sicherheitspolitik. "Von solchen Leuten muss man sich fernhalten", meint Florenz. Deshalb habe er den Schriftverkehr auch aufbehalten. 

Kein Kommentar von Strasser

Unklar ist, wen Strasser mit dem "lieben Freund aus Großbritannien" meint. Florenz weiß dazu auch nichts Genaues. Nur, dass es sich um ein britisches Unternehmen gehandelt habe. Auch was konkret hinter den Handlungen Strassers steht, ist unbekannt. Strassers Anwalt will auf Anfrage von derStandard.at den Schriftverkehr seines Mandaten mit Florenz nicht kommentieren. 

Strassers Argumentation "lächerlich"

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen Strasser wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit. Er soll den als Lobbyisten getarnten "Sunday Times"-Journalisten gegen Geld die Veränderung von Gesetzen der Europäischen Union angeboten haben. Videos und Protokolle der Gespräche untermauern diesen Vorwurf. Strasser hat bisher immer behauptet, er habe geahnt, dass mit den vermeintlichen Lobbyisten "etwas nicht stimme". Seine Vermutung über die Identität: britische oder US-amerikanische Geheimdienstler. Er habe die beiden überführen wollen und nur so getan, als sei er bestechlich.

Florenz findet diese Argumentation "lächerlich". Wäre ihm so etwas passiert, wäre er sofort zu seinem Parlamentspräsidenten oder seinem Fraktionsvorsitzenden gegangen und hätte von den Bestechungsvorwürfen berichtet, sagt er. Schon vor dem Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Strasser habe er nicht viel von seinem österreichischen Fraktionskollegen gehalten. Dessen Parlamentsarbeit sei nie konstruktiv gewesen. Er sei "wirklich böse" auf Strasser, so Florenz. Und zwar deshalb, weil Strasser seine österreichischen Kollegen in Misskredit bringe, die wirklich gute Arbeit leisten würden. "Der soll sich zum Teufel scheren", sagt Florenz. "Ich bin seit 23 Jahren hier, aber so etwas Absurdes habe ich noch nie erlebt." Die Korruptionsstaatsanwaltschaft hat angekündigt, in den nächsten Tagen über eine Anklage Strassers entscheiden zu wollen. (Lisa Aigner, derStandard.at, 8.8.2012)