Und abends in die Dorfdisko: Julie Delpy begleitet ihr Figurenensemble liebevoll zu einem "Familientreffen mit Hindernissen".

Foto: Thimfilm

Wien - Dass die auf die Erde stürzende Raumstation ausgerechnet Großmutters Haus in der Bretagne trifft, glaubt in diesem Film natürlich niemand. Man schreibt das Jahr 1979, und während die US-Raumstation Skylab vom Himmel fällt, reist eine Pariser Kleinfamilie zwecks Geburtstagsfeier an die Atlantikküste. Das Haus der Oma füllt sich bald mit einer erklecklichen Zahl an Verwandten, die einen Tag und eine Nacht lang tun, was bei Familienfeiern üblich ist: essen, trinken, streiten, sich lächerlich machen.

Einmal mehr kümmert sich Julie Delpy in "Familientreffen mit Hindernissen" - im Original: "Le Skylab" - um ihre privaten Angelegenheiten, nachdem die Schauspielerin und Regisseurin in "2 Tage New York ihre Sippschaft" in den USA hat allerlei Unheil anrichten lassen.

Tatsächlich ist der Ausflug in die Bretagne der ältere und persönlichere der beiden Filme. Die Abgeschiedenheit des Küstenstädtchens, in dem die Feier über die Bühne geht, verhindert nicht nur jeden dramatischen Einfluss von außen, sondern gibt Delpy jede Menge Zeit für scheinbar unbedeutende Beobachtungen.

Bestimmt wird der Ablauf des Sommertags von den Mahlzeiten, unterbrochen wird er von Regenschauern, Ausflügen in die Umgebung und politischen Streitgesprächen. Betrachtet wird das alles mit den Augen der pubertierenden Albertine (Lou Alvarez), Delpys kindlichem Alter Ego. Das Erstaunliche an diesem Film ist, wie Delpy mehr als zwei Stunden mit Alltagsgeschichten und Lebensweisheiten aus den späten 1970er-Jahren zu füllen weiß, ohne dabei in Nostalgiekitsch abzugleiten.

Denn trotz des dominierenden heiteren, manchmal sogar ausgelassenen Tonfalls nimmt Delpy ihre Figuren in jeder Situation ernst. So bedeutet etwa der abendliche Besuch der Dorfdisko für Albertine nicht nur einen ungeahnten Moment des Glücks, sondern auch den ersten Liebeskummer. "Born to Be Alive" dröhnt es aus den Boxen, aber das Leben ist kein Wunschkonzert.

Zugleich offenbart "Familientreffen mit Hindernissen" Delpys Stärken und Schwächen als ihre eigene Autorin. Wenn der Onkel als ausgedienter Fremdenlegionär um Mitternacht endlich in Tränen ausbricht, hat zum Glück auch der Versuch sein Ende gefunden, uns eine unsympathische Figur zu erklären. Andererseits leistet es sich Delpy, ihre Figuren immer wieder minutenlang ganze Geschichten erzählen zu lassen. Im Gegensatz zur tatsächlich in Australien abgestürzten titelgebenden Weltraumstation erfüllen diese mündlichen Erzählungen ihren Zweck: Sie bleiben in Erinnerung. (Michael Pekler, DER STANDARD, 9.8.2012)