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Flüge nach Toulouse mit Air France via Paris oder mit Austrian/Lufthansa via Frankfurt, ca. 250 Euro. Übernachtung z.B. im Hotel Château de Larroque bei Gimont, das aus der Zeit d'Artagnans stammt und zum Hotelverbund Relais du Silence gehört, DZ ab 95 Euro. Bis nach Lupiac, wo es derzeit kein Hotel gibt, ist es eine halbe Stunde mit dem Auto. Infos: Französisches Fremdenverkehrsamt Atout France, Tel. 0900/25 00 15, www.tourisme-gers.com. Infos zur Gegend auf Deutsch auf www.tourismus-midi-pyrenees.de.

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D'Artagnan: Das literarische Vorbild für Alexandre Dumas' Romanhelden d'Artagnan aus dem Buch „Die drei Musketiere" ist Charles de Batz de Castelmore, der für seine Karriere als Leibwächter des Königs den klangvolleren Familiennamen seiner mütterlichen Linie annahm. Dumas versetzte die um den Helden gestrickte, jedoch frei erfundene Romanhandlung in der Zeit gut 20 Jahre zurück an den Hof König Ludwigs XIII., während der reale d'Artagnan Ludwig XIV. diente. Das D'Artagnan-Fest in Lupiac findet heuer zum ersten Mal statt (12. August) und soll von nun an jährlich ausgetragen werden. Nähere Infos über d'Artagnan bietet www.lemondedartagnan.fr.

Die Gascogne: Abgesehen von der Küste spielt die Gascogne im internationalen Tourismus keine große Rolle. Hauptsächlich lockt das Binnenland Franzosen auf Inlandsurlaub an, darüber hinaus vor allem Engländer, die sich hier während der Sommermonate Ferienhäuser mieten. Der Landstrich im nördlichen Pyrenäenvorland beginnt im Osten etwa auf der Höhe der Großstadt Toulouse und erstreckt sich bis an die Atlantikküste. Historisch reichte die Gascogne im Norden bis an die Großstadt Bordeaux. Außerhalb der Städte gilt die dünnbesiedelte Region auch heute noch als bäuerlich. Neben der Waldwirtschaft spielt Weinbau eine große Rolle.

Bild: Die Brücke Pont Neuf an der Promenade Henri Martin in La Daurade, Toulouse.

Foto: Jean François Tripelon-Jarry/ATOUT FRANCE

Bei d'Artagnan ist niemand zu Hause. Alles dunkel, keiner am Tresen, die Tür abgeschlossen, die Glasscheiben ein bisschen angelaufen und die Plakate an der Hauswand ausgebleicht. Josette Ribeiro musste dichtmachen. Ihr Gasthaus Auberge d'Artagnan mitten im 312-Einwohner-Örtchen Lupiac in der Gascogne ist schon seit vier Jahren geschlossen. Seitdem sucht sie einen neuen Pächter. Oder einen Käufer. Jedenfalls jemanden, der das kleine Hotel mit Bar und Gaststube im Geburtsort des legendären Musketiers d'Artagnan mit neuem Elan wiedereröffnen mag.

Eines Tages, hoffen die Leute in Lupiac, werden die Kurzurlauber wieder ihren Weg ins Pyrenäenvorland zurückfinden, um sich hier, im Westen Frankreichs, auf die Spuren des berühmtesten Sohnes der Gegend zu begeben: Charles de Batz, genannt d'Artagnan und geboren irgendwann zwischen 1610 und 1612 auf Schloss Castelmore direkt vor den Toren von Lupiac, ist das reale Vorbild des literarischen Leibwächters von König Ludwig XIII., den Alexandre Dumas mit wehendem Umhang, flottem Degen und der richtigen Portion Lausbuben-Charme durch seinen Roman Die drei Musketiere fechten lässt.

128-mal wurde die Story bereits in wechselnden Besetzungen verfilmt - anfangs mit Douglas Fairbanks in der Titelrolle, zuletzt als etwas seichterer Hollywood-Kassenschlager mit Orlando Bloom und Milla Jovovich.

Ob in Frankreich selbst, anderswo in Europa, in den Hinterhöfen Amerikas oder in den Vorstädten Fernosts - überall kämpfen die Jungs mit Plastikdegen und Holzschwertern im Kostüm ihres Idols, bis sie irgendwann aus der Maskerade herauswachsen und neue Helden finden. Allein, von Lupiac aber hat noch kaum jemand gehört.

Das soll sich bald ändern. So zumindest lautet der Plan von Régis Meyer. Der vor Ideen sprudelnde Pensionist mit grauem Dreitage-bart lebt hier und gilt als einer der führenden D'Artagnan-Experten Frankreichs. Der Plan: Einen ganzen Tag lang sollen sich die Dorfbewohner in der Öffentlichkeit in ihren historischen Kostümen zeigen - wenn sie auf die Place d'Artagnan treten, wenn sie vor den Fachwerkhäusern auf und ab marschieren oder wenn sie durch die mittelalterlichen Arkaden an der Rue des Mousquetaires flanieren.

Meyer hat fast jeden im Dorf an seiner Seite. Auch die Exwirtin Josette Ribeiro. Es sind bereits alle eingekleidet. Jeder hat ein Kostüm. Kommendes Wochenende, am 12. August, steigt erstmals das groß angekündigte, hoffnungsvolle D'Artagnan-Festival. Künftig soll es das jeden Sommer geben - und bald schon für mehr als nur für einen Tag.

Kleider für Pöbel und Adel

Das D'Artagnan-Fest soll Lupiac auf die Landkarte heben, für neue Jobs sorgen und, ganz nebenbei, dabei helfen, einen neuen Betreiber für das Dorfgasthaus zu gewinnen. Ehrenamtlich schneidern die Frauen des Ortes schon seit Monaten an den raffinierten Kostümen. In den Räumen eines lange leerstehenden Geschäfts sitzen sie am Fenster und nähen Hemden, Blusen, Röcke aus Altkleidern, Bettwäsche und Gardinen - jedes einzelne nach Maß für denjenigen, der es einmal tragen wird. Neunzig Prozent der Kostüme werden in der Machart der damaligen Landbevölkerung hergestellt, und zehn im Stil des Adels.

Vorn im Schaufenster hängt, mit Namenszetteln versehen, was verschenkt wird: Das weiße Kostüm mit Rüschen ist für Claudette, die als Bürgerfrau verkleidet zum Fest geht. Daneben schaukelt eine derbe Weste aus Sackleinen für Didier, zusammen mit einem Hemd, das mal eine dunkle Tischdecke gewesen sein könnte. Didier geht als Landarbeiter. Und jeden Tag, an dem die Nähmaschinen der ehrenamtlich arbeitenden Näherinnen hier surren, kommen neue Accessoires hinzu.

Josette, die einstige Wirtin der Auberge d'Artagnan, freut sich bereits auf ihr Blümchenkleid mit Schürze und weißer Haube - alles entstanden aus einer Tischdecke und eben erst fertig geworden. Vorm Spiegel fährt sie sich ein wenig unsicher mit der Hand durchs dunkle Haar und rückt schnell die Haube zurecht.

Wenn es so weit ist, soll das ganze Dorf für Autos gesperrt werden. Ein knappes Wochenende lang soll alles so aussehen wie zu d'Artagnans Lebzeiten. Aus Paris wird eine kostümierte Fechtertruppe kommen, dazu ein Trupp Schaureiter, während sich die Barock-Musikanten aus den Bewohnerinnen und Bewohnern rekrutieren werden. Andere wiederum werden kochen, backen und an Ständen all das verkaufen, was es Mitte des 17. Jahrhunderts gab.

Wozu der ganze Aufwand? Weil die Arbeitslosigkeit hoch ist, weil das Dorf dringend eine Attraktion benötigt und weil es auffallen will. Die alleinige Tatsache, dass es malerisch ist, zieht offenbar nicht genügend Besucher an. Ein liebevoll ausstaffiertes D'Artagnan-Museum samt Souvenirshop in einer alten Kapelle und einem Nebengebäude am Ortseingang gibt es bereits.

Yves Rispat sieht dem Fest gelassen entgegen. Ob er mitmachen wird? "Na klar", sagt er und zupft seine blaue Strickweste zurecht. Dabei ist ihm d'Artagnan auch an jedem anderen Tag des Jahres nahe. Schließlich wohnt er in dessen Haus und ist mit seinen 80 Jahren Schlossherr im Château Castelmore, wo jener Charles de Batz vor gut 400 Jahren zur Welt gekommen ist.

Über d'Artagnans Jugend weiß man wenig, jedoch ist überliefert, dass er ab 1640 in den Annalen der Musketiere auftaucht. Zwei seiner Onkel hatten dem König bereits zuvor in dieser Funktion gedient, und weil ein bekannter Name von Vorteil ist, nannte er sich fortan nach der mütterlichen Linie der Familie ebenfalls d'Artagnan. In der Hauptstadt hatte das mehr Klang als "de Batz". Schließlich brachte er es zum Leibwächter des Königs, zum Anführer der Musketiere und fiel am 25. Juni 1673 in der Schlacht von Maastricht.

Feiern wie damals

Warum Dumas die Handlung seines Musketierromans, der 1843/ 44 erstmals erschien, unterdessen um gut 20 Jahre nach hinten versetzte und am Hofe König Ludwigs XIII. mit dessen Widerpart Kardinal Richelieu spielen ließ, ist nicht bekannt. Er jedenfalls war es, der d'Artagnan damit dieses Denkmal setzte. Und den Filmemachern des 20. Jahrhunderts ist zu verdanken, dass sie es mit ihren Filmadaptionen immer wieder aufs Neue polierten.

Wie sich unterdessen das Leben als Schlossherr für Yves Rispat anfühlt? Er lacht, während ihm der Wind vorm Schlossportal in die weißen Haare fährt: "Wie jedes andere auch. Nur wenn wir in der gut 100 Quadratmeter großen Küche mit vielen Gästen feiern, ist es wahrscheinlich wie damals." Der Raum ist noch im Originalzustand erhalten, wie zu d'Artagnans Tagen, mit denselben Tischen und denselben Bänken. Rispat: "Und einem Kamin, in dem man eine komplette Kuh grillen kann."

Was nach dem Fest im August geschehen wird? Da wird die Deko an der Place d'Artagnan wieder entfernt, da schlüpfen die Menschen wieder in ihre Hemden, ihre Jeans und motten die neuen Kostüme ein. Bis zum nächsten August. Bestehen bleiben die vielen frisch gestrichenen Fassaden am Platz, das restaurierte Rathaus, und natürlich die Bereitschaft, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und für den eigenen Ort zu trommeln. Und mit ein bisschen Glück findet sich sogar jemand, der Josette Ribeiro nach dem Schlüssel für die alte Auberge d'Artagnan fragt. (Helge Sobik, Album, DER STANDARD, 4.8.2012)