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Tausenden ist eine geregelte Tätigkeit wichtiger als die schleichende Gesundheitsgefahr.

Foto: epa/ingenito

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Linksradikale Gegendemonstranten können das nicht verstehen.

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Rom - Tausende Menschen sind am Donnerstag in der süditalienischen Stadt Taranto auf die Straße gegangen, um gegen die mögliche Schließung des größten Stahlwerks in Europa zu protestieren. Die rund 11.000 Mitarbeiter des Ilva-Stahlkonzerns streikten acht Stunden lang. Die Demonstration wurde von Ausschreitungen überschattet. So wurden bengalische Feuer und Rauchbomben gezündet, die Menschen bedachten die Polizei mit fliegenden Eiern. Zudem griffen Gruppen von Anhängern linksradikaler Gruppen, die gegen die Kundgebung mobil machten, mit Tränengas die Chefs der traditionellen Arbeitnehmerverbände an, die die Demonstration anführten.

Stahlwerk größter Arbeitgeber

Der Stahlkonzern Ilva soll durch Emissionen aus dem Werk in Taranto in den vergangenen 13 Jahren den Tod von 386 Menschen verursacht haben, vermuten die Staatsanwälte. Der 86 Jahre alte Eigentümer Emilio Riva, sein Sohn Nicola und sechs Manager wurden vergangene Woche verhaftet. Sechs Abteilungen des mit mehr als 11.500 Beschäftigten größten Stahlwerks Europas wurden geschlossen. Aus Angst um ihre Arbeitsplätze führen seit Tagen tausende Beschäftigte Protestaktionen. Sie befürchten die komplette Schließung des Werks. In der Stadt beträgt die Arbeitslosigkeit elf Prozent, das Stahlwerk ist der größte Arbeitgeber.

Super Mario ist gefragt

Arbeitslosigkeit droht das neue große Problem in Italien zu werden. Im Juni hatten 10,8 Prozent der Erwerbstätigen keinen Job, was 761.000 mehr Arbeitslose als im Vorjahr bedeutet. Ein Drittel der Jugendlichen ist arbeitslos. (hier geht es zu den Details) Premierminister Mario Monti macht aber nicht nur das Sorgen. Er will das Italien Silvio Berlusconis aus den Köpfen internationaler Investoren verdrängen und das Land damit wieder glaubwürdig machen. Per Gericht abgedrehte Industriewerke tragen dazu nicht bei.

Daher hat der "Super Mario" genannte Monti umgehend seinen Umweltminister Corrado Clini vorgeschickt, um die rasche Sanierung des verseuchten Geländes um das Stahlwerk zu koordinieren und alsbald wieder die Produktion aufzunehmen.

Still und heimlich Aufarbeiten

Doch die Gewerkschaft will nicht einmal für kurze Zeit die Kocher abschalten. "Ein Stahlwerk wird nicht saniert, indem die Produktion stillgelegt wird. Man muss Investitionen für die öffentliche Gesundheit planen, aber das Werk in Betrieb halten", erklärte die Chefin des Gewerkschaftsverbands CGIL, Susanna Camusso. In einer für Italien derart schwierigen Wirtschaftskonjunktur wäre die Schließung des Ilva-Werks eine unerträgliche Belastung.

Der Präsident des Ilva-Konzerns, Bruno Ferrante, signalisierte Dialogbereitschaft. "Wir müssen über die Kosten bestimmter Schritte zur Reduzierung der Emissionen nachdenken, aber wir können darüber diskutieren", betonte Ferrante. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft wurden in Taranto wesentliche Umweltauflagen nicht erfüllt, sodass unter anderem Dioxin emittiert wurde.

Umweltminister Clini, selbst Arzt, versicherte, dass die Regierung und der Ilva-Konzern liefern werden: "Wir müssen um jeden Preis die Produktion retten." Die ausländische Konkurrenz dürfe nicht von dem Problem profitieren.

Der Ilva-Konzern zählt zu den zehn stärksten Stahlgruppen der Welt. Das 1905 gegründete Unternehmen besitzt in Italien und im Ausland 36 Produktionsstätten und beschäftigt 21.711 Personen. 2011 meldete der Konzern unter Kontrolle der Familie Riva Umsatz von zehn Milliarden Euro. (APA/sos, derStandard.at, 3.8.2012)