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Noomi Rapace in "Prometheus - Dunkle Zeichen"

Foto: ap / 20th Century Fox / Kerry Brown

Ein fremdes Wesen, das einen menschlichen Körper als Wirt missbraucht und diesen dann auf dem kürzesten Wege verlässt, ist es einmal zur richtigen Größe angewachsen: Dies war die so effektive wie gruselige Kernidee von Ridley Scotts Klassiker "Alien" von 1979, einem Film, der Science-Fiction und Horror auf eine Weise zusammendachte wie kaum einer davor. Neu war auch der Umstand, dass es mit Ripley, der von Sigourney Weaver verkörperten Heldin, eine Frau war, die es mit dem ekligen Monster aufnahm - eine nervenaufreibende Beziehung, die sich über drei Sequels hinweg noch vertiefte: Die Figur wurde für das moderne Hollywoodkino stilbildend und gilt als Inbegriff der handlungsorientierten Actionheldin, die vor allem physisch bis an ihre Grenzen geht.

Mehr als 30 Jahre später hat sich der britische Regisseur nun zu einer losen Fortsetzung der "Alien"-Saga entschieden, die, so die Produzenten, mit dieser "nur die DNA" teilt. "Prometheus" ist zeitlich vor dem ersten "Alien"-Film angesetzt, Ripley gibt es darin keine, aber eine andere Frauenfigur, die mit ihr gewisse Ähnlichkeiten hat. Gespielt wird sie von der schwedischen Schauspielerin Noomi Rapace, die mit der Rolle der Wissenschafterin Elizabeth Shaw, die sich auf eine Mission zu den Ursprüngen der Menschheit begibt, wohl auch in Hollywood endgültig sicher landen wird.

Mit Ripley verbindet die 32-Jährige besondere Erinnerungen: "Es war das erste Mal, dass ich eine Frau Dinge tun sah, die jahrein, jahraus Männer getan haben. Die Figur war sehr wichtig für mich." Schon daraus lässt sich schließen, dass Rapace in ihrer Jugend keine besondere Vorliebe für Frauengenres hegte - im Gegenteil, ihr gefielen Actionfilme mit schlagkräftigen Heldinnen: "Thelma und Louise", "Terminator", "True Romance" - und eben "Alien": "Ripley war sexy und superhart, doch Ridley betrachtete sie aus keinem sexuellen Blickwinkel. Er war stets mit ihr da drinnen, und das war so neu für mich. Das hat viel für mich verändert."

Dass Rapace nun selbst mit aktiven, körperbetonten Protagonistinnen Eindruck zu machen versteht, weiß man in Europa seit ihrem Part der Lisbeth Salander. Mit der Erstverfilmung von Stieg Larssons "Millennium"-Trilogie wurde sie zum Star. Rapace gab der androgynen Hackerin, dem mysteriös-anziehenden Mittelpunkt des Bestsellers, ein einprägsames Gesicht und deren Einzelgängertum eine gewisse Erdung - Rooney Mara wirkt in David Finchers US-Version im Vergleich weitaus unwirklicher.

Die Fans der Vorlage waren mit ihr mehr als zufrieden, dabei hatte man Rapace, die in Schweden vor allem als Theaterschauspielerin bekannt war, solche Unnahbarkeit und Härte zuerst gar nicht zugetraut. Es war jedoch ihrem Einfluss auf Regisseur Niels Arden Oplev zu verdanken, dass Salander im Film so rätselhaft bleiben durfte - einige Drehbuchstellen wurden nur verändert, weil sie Rapace als zu sentimental erschienen sind.

Trotz des Erfolgs mit den drei Stieg-Larsson-Filmen blieb Rapace ihren Prinzipien treu. 2009 sagte sie in einem noch recht wackeligen Englisch, dass sie nicht an Hollywood denke, sondern Filme machen wolle, die "kompliziert sind - ich möchte seltsame Dinge machen." Ihre Managerin Shelley Browning soll sie regelrecht überredet haben, es auch einmal in Los Angeles zu probieren, da dort ja auch jene Menschen zu finden sind, mit denen sie gerne arbeiten würde. Den ersten Auftritt in einer internationalen US-Produktion hatte Rapace schließlich an der Seite von Robert Downey Jr. und Jude Law in "Sherlock Holmes: A Game of Shadows", in dem sie eine viktorianische Zigeunerin spielte.

Doch Noomi Noren - Rapace, was auf Französisch Raubvogel heißt, ist ein Künstlername, den sie sich mit ihrem Exmann Ole Norell zugelegt hat - will nicht zu berühmt werden. "Ich habe Angst davor, dass das Publikum im Kino nicht vergessen kann, dass ich das bin - dass der Ruhm der Schauspielerei im Wege steht", wird sie in der "New York Times" zitiert. Das hört man in diesen Zeiten selten - und bei Rapace, die ihre Kindheit in Solheimar (Island) verbracht hat, klingt das nicht einmal kokett. Sie ist eine jener Schauspielerinnen, die ihren Weg beharrlich, überlegt gehen. Sie weiß, was sie will und - fast noch wichtiger - was nicht: "Ich bin eine Kämpferin", sagt sie. "Ich habe immer gewusst, es liegt an mir, das Leben zu schaffen, das ich leben will."

Elizabeth Shaw, die Wissenschafterin aus "Prometheus", ist dahingehend eine Figur, die gut zu ihr passt. Sie geht mit großen Hoffnungen und einem tiefen Glauben in jene Expedition, die Klarheit über die möglicherweise extraterrestrische Herkunft des Menschen schaffen soll. Ihr Idealismus gerät jedoch mit dem immer deutlicher hervortretenden Eigeninteresse des privaten Auftraggebers, eines Unternehmers, in Konflikt. Ridley Scott variiert außerdem eine verborgene Quelle des ganzen "Alien"-Universums, H. P. Lovecrafts Roman "Berge des Wahnsinns"; die Erkenntnisse über die Ahnen der Menschheit sind darin in der Lage, uns in den tiefsten Kammern unserer Seele zu ängstigen.

Kurzum: Auf Elizabeth Shaw warten Entdeckungen, die zwar ihre Hypothesen bestätigen, nicht unbedingt aber ihre philosophische Weltanschauung. Es gibt eine großartige Szene in Prometheus, die zeigt, wie in der gutmütigen Frau der nackte Überlebenswille erwacht. Weil diese mit einem Wesen zu tun hat, das gerne in fremden Körpern heranwächst, und weil die Wissenschafterin sich hier gleichsam - in weißer Unterwäsche - selbst zum Versuchsobjekt macht, kann man sie auch als klare Reverenz gegenüber "Alien" verstehen.

Trotz solcher Strapazen meint Rapace über Shaw, dass sie die am wenigsten verrückte Figur sei, die sie je gespielt habe. Das gilt wohl auch noch nach dem nächsten Film: Mit Brian de Palma hat sie den Thriller "Passion" abgedreht, in dem sich zwei Frauen aus demselben Unternehmen duellieren. Auf einem Bild, das durchs Netz geistert, ist sie mit einer weißen Maske, Stirnfransen und einem spitzen Messer zu sehen. (Dominik Kamalzadeh, Rondo, DER STANDARD, 3.8.2012)