Umweltpolitische Revolutionen sehen anders aus. Mit der Ausweitung der deutschen Lkw-Maut auf zusätzliche 1100 Kilometer an Bundesstraßen werden gerade mal 100 Millionen Euro lukriert. Läppisch für einen Staat, der pro Jahr 300 Milliarden Euro an Staatsausgaben zu finanzieren hat. Der Schritt ist aber idealtypisch für die Debatte um die Belastung des Straßenverkehrs.

Die Schäden, die von Lkws verursacht werden, übersteigen in Europa bei weitem die Einnahmen aus den Mautsystemen. In Brüssel ist der Reformzug aber nur im Schneckentempo unterwegs. Ein Auszug aus dem Kompromiss der neuen Mautrichtlinie: Eine Zweckbindung der Einnahmen ist nicht vorgesehen. Die künftig möglichen Umweltaufschläge werden sich im Schnitt bei drei bis vier Cent pro Kilometer bewegen. Verpflichtend ist die Maut nur für Brummer über zwölf Tonnen. Zum Vergleich: Österreich setzt immerhin schon bei 3,5 Tonnen an.

Bei so erfolgreicher Lobbyingarbeit wird es wohl noch Jahrzehnte dauern, bis Kostenwahrheit herrscht. Und da man den einen nicht wehtun will, möchte man sich auch bei den anderen, den Pkw-Fahrern, nicht unbeliebt machen. Die Deutschen verzichten gänzlich auf eine Bemautung. Das Vignettensystem in Österreich liefert einen Anreiz, möglichst viel zu fahren. Die Kosten sind schließlich immer gleich hoch. Eine kilometerabhängige Pkw-Maut ist absolutes Tabu - wie so viele sinnvolle Maßnahmen. (Günther Oswald, DER STANDARD, 2.8.2012)