Mit Einweghandschuhen im Lebensmittelhandel "wird den Kunden nur Hygiene vorgegaukelt", meint Lebensmittelinspektor Alexander Hengl vom Wiener Marktamt.

Foto: eribert CORN, corn@corn.at

Das geplante Rauchverbot in der Gastronomie, das ab Mai 2018 in Kraft treten hätte sollen, wird gekippt. Dafür ist das Tragen von Gummihandschuhen für Feinkostmitarbeiter ab 1. Mai nicht mehr notwendig. Das teilte das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Konsumentenschutz mit. Allerdings gab es ohnehin keine lebensmittelrechtliche Verpflichtung zum Tragen von Handschuhen in Feinkostabteilungen, sofern beim Umgang mit Lebensmitteln geeignete Werkzeuge verwendet werden.

Seit Jahren zählen die weiß-gelben Gummihandschuhe zur standardmäßigen Arbeitsbekleidung in Feinkostabteilungen, Metzgereien und Bäckereien. So werden Fleisch, Schinken, Wurst, Käse sowie Brot und Gebäck vor dem direkten Kontakt mit Fingern und Händen geschützt, so werden Sauberkeit und Hygiene vermittelt, so gelangt garantiert keine "befleckte" Ware an die Kunden. So wirkt es zumindest auf den ersten Blick. Das Ganze passiert aber völlig freiwillig, denn "eine gesetzliche Verpflichtung dazu gibt es in Österreich nicht", wie Alexander Hengl von Wiener Marktamt bestätigt.

Kaum Erhöhung der Sauberkeit

Der Glaube, dass eine gesetzliche Notwendigkeit besteht, dürfte allerdings unter der österreichischen Bevölkerung weit verbreitet sein. "Sie glauben gar nicht, wie viele Leute bei uns anrufen und sich beschweren, dass etwa ein Mitarbeiter der Bäckerei XY keine Handschuhe getragen hat", berichtet Lebensmittelinspektor Hengl aus seinem Arbeitsalltag.

Doch bereits 2007 nahm eine Studie des deutschen Instituts für Arbeitsschutz den Einsatz von Hygienehandschuhen in Feinkostabteilungen unter die Lupe – mit dem Ergebnis, dass sich die Bakterien- und Keimbelastung nur dann reduziert, wenn die Handschuhe stets aus einer frisch geöffneten Verpackung stammen und etwa alle fünf Minuten gewechselt werden. Ansonsten zeigten sich keine Vorteile im Vergleich zum Arbeiten mit der bloßen Hand. "Letztendlich wird den Kunden nur Hygiene vorgegaukelt", lautet das Resümee von Alexander Hengl.

Erhöhtes Risiko für Personal

Auch die Wiener Arbeitsmedizinerin Johanna Helm steht dem Gummi auf der Haut skeptisch gegenüber: "Es ist anzunehmen, dass hier gar kein positiver Effekt entsteht, sondern im Gegenteil: Die Keimbelastung erhöht sich unter Umständen sogar noch, da sich das Personal durch das Tragen der Handschuhe möglicherweise weniger häufig die Hände wäscht."

Zudem wird die Haut der Mitarbeiter unnötig belastet. "Wenn jemand – in welchem Beruf auch immer – regelmäßig oder ständig Handschuhe tragen muss, dann beginnt es zu 'dampfen', und die Haut kann nicht atmen" erläutert Helm. Damit wird die Barrierefunktion der Haut gestört, sie beginnt zu jucken, rötet sich und wird schuppig. Es können sich Hautrisse und Bläschen bilden, die wiederum einen idealen Nährboden für Hauterkrankungen wie etwa Ekzeme bieten.

Regelmäßiges Händewaschen völlig ausreichend

Nach Ansicht der Arbeitsmedizinerin reicht eine ordentliche Händehygiene vollkommen aus, ähnlich der, die auch im medizinischen Bereich üblich ist. Das bedeutet nichts anders als kontinuierliches und gründliches Händewaschen und kurze Fingernägel, die regelmäßig gebürstet werden sollten. "Man kann schon auch mit Handschuhen arbeiten, aber meiner Meinung nach ist es viel sinnvoller, die Mitarbeiter darin zu schulen, wie sie ihre Hände auf herkömmliche Weise pflegen und schützen können", ist Johanna Helm überzeugt.

Schneidbretter als Keimschleudern

Auch die Studie des deutschen Instituts für Arbeitsschutz bietet konkrete Alternativen, die einerseits eine höhere Effizienz versprechen und andererseits die Haut der Mitarbeiter weniger belasten. Dazu zählt die Vermeidung des direkten Kontakts mit den Lebensmitteln durch die Verwendung von Greifzangen, Gabeln oder Folien. Ein besonderes Augenmerk sollte außerdem auf die Reinigung von Arbeitsmaschinen und Schneidbrettern gelegt werden, da diese bereits nach relativ kurzer Zeit dicht mit Keimen besiedelt sind.

Alexander Hengl vom Wiener Marktamt vertritt einen ähnlichen Standpunkt: "Mir ist es lieber, das Personal trägt keine Handschuhe und nimmt bei heikler Ware Zangen, Gabeln oder Besteck. Wenn sich die Mitarbeiter zudem regelmäßig die Hände waschen, dann ist das vollkommen ausreichend." (Günther Brandstetter, derStandard.at, 1.8.2012)