Er hat sie gewarnt, doch die Versuchung, nachzukarten und politisches Kapital zu suchen, ist in Athen immer größer. "Entweder wir ergreifen die notwendigen Maßnahmen oder wir kehren innerhalb von zwei Monaten zur Drachme zurück", soll Finanzminister Yiannis Stournaras den Parteileuten von Pasok und Demokratischer Linker in bisher nicht da gewesener Deutlichkeit gesagt haben. Dann gingen die Koalitionspartner in die Beratungen über das Sparpaket von 11,5 Milliarden Euro, verschoben erneut eine Entscheidung und brachten die Regierung von Antonis Samaras in ihre erste Krise.

Der Premier versuchte am Dienstag bei einem Treffen mit der Troika den Schaden zu begrenzen. Offiziell hieß es, der Regierungschef wolle " einige finanzielle Punkte klären". Tatsächlich ging es um die Forderung seiner Koalitionspartner, die Sparmaßnahmen auf vier Jahre bis 2016 zu strecken.

Pasok-Chef Evangelos Venizelos und der Vorsitzende der Demokratischen Linken, Fotis Kouvelis, rechnen sich damit bessere Chancen für die Zeit nach der Sommerpause aus, wenn die Opposition - die linksradikale Syriza - im Verein mit den Gewerkschaften wieder Streiks und Straßenproteste organisiert. Um konkrete Korrekturen an den Sparmaßnahmen geht es Venizelos nicht mehr; er präsentierte am Dienstag einen Zehn-Punkte-Plan, der sofortige Verhandlungen mit den EU- Regierungen oder Maßnahmen für den "sozialen Zusammenhalt" vorsieht. Regierungssprecher Simos Kedikoglou ließ deshalb offen, wann "im August" das Sparpaket, auf das Europa und Griechenlands Kreditgeber warten, nun wirklich feststeht.

"Reserven bei Null"

Die Zeit drängt für Athen. "Unsere Geldreserven sind fast bei null", erklärte Christos Staikouras, einer der stellvertretenden Finanzminister im griechischen Fernsehen. Am 20. August braucht Athen schon einmal 3,2 Milliarden Euro zur Rückzahlung eines Bonds. Beinahe täglich stellen deutsche Politiker, allen voran Wirtschaftsminister Philipp Rösler, die Glaubwürdigkeit der griechischen Regierung infrage und malen das Szenario einer neuerlichen Staatspleite und des Hinauswurfs aus der Eurozone an die Wand.

Im Finanzministerium in der Nikis-Straße, gleich vor dem Syntagma-Platz, ist der Unmut über die Deutschen groß. "Jedes Mal, wenn Leute wie Rösler den Mund auftun, schadet es unseren Chancen", sagt ein Beamter, der sich nicht mit Namen nennen lassen will. "Potenzielle Investoren schreckt das ab. Ihnen wird eingeredet, sie können hier nach einem Euro-Austritt alles um die Hälfte kaufen. Aber sie vergessen - wenn wir pleitegehen, bekommen sie auch nicht mehr ihr Geld zurück."

Das 11,5-Milliarden-Sparpaket sollte die Gläubiger beruhigen und die Troika zu einer für die Griechen günstigen Bewertung bewegen. Jetzt scheint wieder alles offen. Poul Thomsen, Klaus Masuch und Matthias Mors - die Vertreter von IWF, EZB und EU-Kommission - wollten eigentlich Montag abreisen und bleiben nun länger in Athen.

Der Zeitdruck macht die Kritik an Troika und Europa nur lauter. Panos Tsakloglou, Chefberater des Finanzministers und bis vor kurzem Professor an der Wirtschaftsuni Athen, sieht Griechenland unfair behandelt. "Wir haben in zweieinhalb Jahren die größte Konsolidierung erreicht, die je ein Land seit dem Zweiten Weltkrieg geschafft hat. Dafür bekommen wir keine Anerkennung." Spekulationen über einen "Haircut" auch bei Athens öffentlichen Gläubigern weist er zurück: "Das liegt derzeit nicht auf dem Tisch. Was wir jetzt dringend brauchen, sind ausländische Investitionen." (Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, 1.8.2012)