"Moving emotions: Vier Räder, zwei Passagiere, eine Hommage an die Automarke Steyr, als Benchmark Bentley." Knapp war das Briefing des Designers Achim Storz an die Studenten der Grazer FH Joanneum, als es darum ging, Zukunftstrends in Sachen Automobil zu entwickeln.



Studie "Pio" von Lisa Hampel

Foto: Fachhochschule Joanneum

In vier Monaten entstanden fünfzehn Einzelprojekte von Studenten des 7. Semesters des Studienzweigs Industrial Design. Eigentlich sollte die ganze Sache nur ein bescheidener Beitrag zur "Auto Art", einer Veranstaltung im Rahmen der Kulturhauptstadt Graz 2003, werden. Aber halt nur eigentlich. Tatsächlich rausgekommen ist ein echtes Designhighlight, was den Sponsor des Projekts, Magna Steyr, die Fahrzeugproduktions- und -entwicklungstochter des Magna-Konzerns, recht spontan dazu veranlasste, den "Moving Emotion Design Award 2003" zu spendieren, immerhin 10.000 Euro für insgesamt drei Preise.



Studie "Huartes" von Frank Rettenbacher

Foto: Fachhochschule Joanneum

Was ja jetzt auch noch nicht so sensationell wäre, hätte man es nicht geschafft, eine vor allem für österreichische Verhältnisse echt verblüffend hochkarätige Jury nach Graz zu lotsen. Angereist kamen also der Chefdesigner von BMW, Mini und Rolls Royce, Chris Bangle, der Designboss der Markengruppe VW, Skoda und Bentley, Murat Günak, der kreative Kopf von Peugeot und Citroën namens Keith Ryder und sogar Ross Lovegrove, Überdrüber-Kapazunder der internationalen Designszene. Und auch Achim Storz, Projektleiter, Gastprofessor in Graz und Herr über ein eigenes Designbüro in Zell am See, mischte mit im bunten Reigen der bedeutenden Schiedsrichter.

Foto: Magna Steyr

Bei allem Respekt vor diesen war die wirkliche Überraschung aber das Ergebnis des Projekts. Keine bulligen PS-Viecher, keine vom Windkanal zusammengestauchten Flitzer oder sonstige auf Autosalons gehypten Raketen für Testosterongeplagte entsprangen den Designerhirnen der renommierten Ausbildungsstätte, sondern gründlich durchdachte Visionen, die sich durch Begriffe wie Entschleunigung, Nachhaltigkeit und Lebensqualität auszeichneten. Auch wenn unter Letzterem der eine oder andere vielleicht doch eine grummelnde V-irgendwas-Maschine versteht, richtet sich das Gedankengut an eine etwas mehr besonnene Allgemeinheit.



Studie "low rider" von Johannes Geisler

Foto: Fachhochschule Joanneum

So ging der erste Preis an die Studie "Loè" von Katharina Dankl, die sich vor allem mit Langsamkeit beschäftigte. Ihr Vehikel, das durchaus das Zeug dazu hätte, aus Ross Lovegroves Feder zu stammen, kommt ein bisschen daher wie eine futuristische, fahrbare Sonnenliege, der man zumindest formal betrachtet auch die Kunst des Fliegens zutrauen würde.



Studie "Loè" von Katharina Dankl

Foto: Fachhochschule Joanneum

"Loè" ruft zu bewusstem Erleben statt Speed zu machen auf - und das mit Hängemattenfeeling bis maximal 40 km/h.



Studie "Loè" von Katharina Dankl

Foto: Fachhochschule Joanneum

Nicht minder gemütlich mutet die Arbeit "Pio" von Lisa Hampel an, mit der sie den zweiten Rang belegte. Sie entwarf eine zeitgenössische Kutsche, also ohne Rösser, dafür mit viel Hightech.



Studie "Pio" von Lisa Hampel

Foto: Fachhochschule Joanneum

Auch Spaß muss sein, dachte sich der drittplatzierte Designer Raimund Klausegger, der vor Augen führt, dass Buben halt doch einen anderen Zugang zum Thema haben und es schon auch brumm-brumm machen muss. "Steyr centaur" nennt sich sein dunkler, keilartiger Bolide, der rein optisch betrachtet mit Gemütlichkeit so viel zu tun hat wie ein Pogues-Konzert.



Studie "Steyr centaur" von Raimund Klausegger

Foto: Fachhochschule Joanneum

Um den eventuell auftauchenden Gedanken an Machoprotz-Gehabe zumindest auf Distanz zu halten, wurde der schmale Flitzer als Funapparat für den Gebrauch auf abgesperrten Pisten konzipiert. Steve McQueen selbst könnte Pate dieses Gefährts sein, zeigte er doch als Thomas Crown, was für eine Hetz es sein kann, mit einem Buggy über den Strand zu bürsten.



Studie "Steyr centaur" von Raimund Klausegger

Foto: Fachhochschule Joanneum

Die Gestalter beschäftigten sich in Graz aber auch mit neuen Antriebstechnologien, erwähnt soll die Sudie "Neo 2" von Peter Umgeher sein, der mittels Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb umweltfreundliche Fahrerlebnisse im Gelände garantieren will und die männliche Ehre in Sachen Vernunft und Auto stramm verteidigt. Aber auch alle anderen Entwürfe lohnen den Weg zur Degree-Show an der Fachhochschule oder zumindest den Blick auf deren Website.



Studie "Neo 2" von Peter Umgeher

Foto: Fachhochschule Joanneum

Für Professor Gerhard Heufler von der FH lag die Überraschung vor allem in der Bandbreite der vorgelegten Entwürfe, die in seinen Worten von Speed über Fun bis hin zur Entdeckung der Langsamkeit reichten. Er sieht in den Ergebnissen ein Umdenken und zeigt sich von der Jury-Entscheidung sehr beeindruckt.



Studie "Pabló" von Marek Simko

Foto: Fachhochschule Joanneum

"Das Siegerprojekt, das mit großem Abstand gewann, ist ein Symbol für eine absolute Trendumkehr - weg von überfrachtetem Power-Crossover à la Geländesportwagenlimousine hin zu einem leichten Umgang mit Mobilität", so der Designer Heufler. Ihren Entscheid argumentierte die Jury mit dem weiten Weg, den das Projekt vorzeige. Ein Weg, der Dinge wie Entspannung und Lockerheit vorwegnimmt, die der Kunde noch gar nicht akzepiere.



Studie "Loè" von Katharina Dankl

Foto: Fachhochschule Joanneum

Mit der Produktion solch visionärer Vehikel lässt man sich aus diesem Grunde - falls sie überhaupt je realisiert werden - eine Menge Zeit, schließlich bedient man sich auch in der Autoindustrie weitgehend der Designphilosophie des Weltklassegestalters Raymond Loewy, der den Erfolg eines Produktes von seinem Grundsatz MAYA - most advanced, yet acceptable, also äußerst fortschrittlich, aber immer noch annehmbar - abhängig machte. Eigentlich schade. (Michael Hausenblas, DER STANDARD, rondo/27/06/2003)

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Fachhochschule Joanneum

Foto: Fachhochschule Joanneum