Die meisten Versuche, prophylaktische Impfstoffe gegen Aids zu entwickeln, sind bisher daran gescheitert, dass es nicht zur Bildung von Antikörpern durch das Immunsystem kam, welche ausreichend stark die Aids-Erreger neutralisieren. Das geschieht, indem sich die Antikörper an die Erreger heften und deren Eindringen in Zellen verhindern. Doch bei HIV ist das schwierig.
Immunglobulin "2G12"
"Ein Gutteil der Oberfläche der Viren ist nämlich mit Zuckermolekülen bedeckt. Das Immunsystem kann sie schwer angreifen, weil diese Zuckermoleküle in den Zellen des Menschen produziert und angehängt werden. Mit anderen Worten sind sie 'Eigenmaterial' und werden von Antikörpern nicht (als 'fremd') erkannt", heißt es in einer Presseaussendung zu der Arbeit.
Doch Katinger und sein Team entdeckten schon vor einiger Zeit bei der Suche nach Aids-neutralisierienden Antikörpern bei einem HIV-Positiven das Immunglobulin "2G12". - Und diese Antikörper sind offenbar in der Lage, HIV-Partikel zu erkennen und an ihnen so zu binden, dass eine weitere Infektion der Zielzellen der Aids-Erreger (CD4-positive Zellen) verhindert wird.
Außergewöhnliche Konfiguration
Daniel A. Clarese vom Scripps-Institut sowie auch britische Wissenschafter analysierten diese Immunglobuline genauer. "Was wir gefunden haben, ist eine für solche Antikörper außergewöhnliche Konfiguration. Dabei interagieren offenbar zwei Fab-Regionen der Antikörper, welche für die Erkennung von Antigenen verantwortlich sind", erklärte Scripp-Wissenschafter Univ.-Prof. Ian Wilson.
Antikörper sehen wie "Gabeln" mit zwei "Zinken" aus. Mit diesen "Zinken" - das sind die genannten Fab-Fragmente erkennen Antikörper in den Körper eingedrungene Fremdkörper, so auch zum Beispiel Bakterien oder Viren, und binden an ihnen.
Bildung von Dimeren
So kommt es offenbar jeweils zu einer Bildung von Dimeren (aus zwei Antikörpern bestehenden Strukturen) von "2G12". Dadurch entsteht eine sehr breite Bindungsregion für HIV. Sie erkennt Oligomannose(Zucker-)-Bestandteile auf den Glykoprotein 120 (GP120)-Oberflächenbestandteilen von HIV. Mit dem GP120 binden die Aids-Viren an Zellen. Umgekehrt wird GP120 in verschiedensten Formulierungen bzw. Teilen auch als Antigen für Aids-Impfstoffe erprobt.
Die Wissenschafter. "Diese Zucker-Bestandteile sind zwar 'menschlich', ihre Gestalt ist aber anders. Dieses Merkmal erkennen die Antikörper."
Diese Ergebnisse sind deshalb so wichtig, weil sie offen legen könnten, welche Art von Antikörpern ein zukünftiges Aids-Vakzin zur Prophylaxe aufweisen sollte, um eine schützende Wirkung zu haben.
Intensivprogramm zur Suche nach Impfstoff
Mit einem groß angelegten internationalen Forschungsprogramm wollen sich führende Wissenschafter um die Entwicklung eines Impfstoffs bemühen. Der Krankheit würden bis zum Jahr 2020 weltweit siebzig Millionen Menschen zum Opfer fallen, wenn nicht rasch ein Impfstoff gefunden werde, erklären 24 Forscher in "Science". Sie regten ein globales Intensivprogramm an mit dem Ziel, die Menschheit vor dem HI-Virus zu schützen.
Manhattan-Projekt gegen Aids
Von der Konzeption her solle das Programm ein "Manhattan-Projekt gegen Aids" werden, erklärte Ko-Autor David Baltimore. Man wolle die geballte Kompetenz der wissenschaftlichen Gemeinschaft nutzen, jedoch anders als bei dem amerikanischen Atomenergieprojekt nicht auf Geheimhaltung, sondern im Gegenteil auf Öffentlichkeit und Austausch setzen. Hinter der Initiative stehen Wissenschaftler aus Frankreich, Südafrika, Großbritannien, China, Indien und der Schweiz - darunter zwei Nobelpreisträger - sowie Vertreter von Gesundheitsministerien und der Vereinten Nationen.
Unterschiedliche Forschungsansätze verfolgen
Dem Vorschlag zufolge soll jedes der beteiligten Labors über fünf bis zehn Jahre hinweg einen anderen Forschungsansatz zur Entwicklung eines Aids-Impfstoffes verfolgen. Das Bemühen der privaten Pharmaindustrie in dieser Hinsicht lasse zu wünschen übrig, da die Aidsforschung nicht als Profit versprechendes Geschäft gelte, schrieben die Wissenschafter.