Inzwischen verfügt praktisch jeder Wiener über Erfahrungen mit verhaltensoriginellen Radfahrern. Schöne Leistungen in der Sparte "No risk, no fun" sind täglich zu bewundern. Etwa wenn einer die Ampel blinken sieht, mächtig antritt, auf den Straßenbahnschienen die bremsenden Autos flott umfährt und bei Rot durch die Fußgänger auf dem Zebrastreifen pflügt, die der uncoolen Meinung waren, ein grünes Licht mit einem Fußgänger-Symbol berechtige sie zu vertrauensvoller Überquerung der Straße. Der Unterschied zu testosteronbetriebenen Jugendlichen im tiefergelegten Boliden besteht darin, dass dem Rad die Boomboxen fehlen.

Versuchsballon "Kennzeichentafeln für Radfahrer"

Nun merkt auch die Politik etwas. Bürgermeister Häupl spürte eine entsprechende Stimmung in der Bevölkerung, spürt den Unmut über das Parkpickerl, will den grünen Koalitionspartner etwas in die Schranken weisen und lässt daher einen Versuchsballon "Kennzeichentafeln für Radfahrer" steigen.

Ist wahrscheinlich nicht sehr praktikabel. Aber vermehrtes Benutzen von Rädern in der Stadt ist grundsätzlich wünschenswert, wenn auch nicht auf dem Wege des aktiven Verdrängens der Autos, so wie sich die Grünen das vorstellen. Man wird daher nicht umhinkommen, ernsthaft über Lösungen für ein zivilisiertes Zusammenleben auch auf diesem Gebiet nachzudenken. Ohne Ironie: Die Eindämmung des Hundekots hat ja auch geklappt. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 31.7.2012)