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Zwei von fünf Walisern, auf die das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland baut: Aaron Ramsey (21) und Ryan Giggs (38).

Foto: Reuters/Keogh

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Superstar David Beckham (li.), der gerne mitgekickt hätte, amüsierte sich mit Prinz William auf der Tribüne.

REUTERS/Sergio Moraes

"Let's go, tschiebie, let's go." Sie war schon okay, die Stimmung im mit 85.000 Zusehern voll besetzten Wembley-Stadion, aber zum Niederknien war sie nicht. Dabei feierte das Fußballteam des Vereinigten Königreichs gegen die ebensolchen Arabischen Emirate einen 3:1-Sieg. Tschiebie, geschrieben GB, kommt den Fans nicht leicht über die Lippen. Und "Stand up, Great Britain, stand up" holpert auch dahin. Doch sollen die Fans " United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland" schreien?

Der, sage und schreibe, längste Ländername der Welt hat eine Abkürzung für die Olympiamannschaft unabdingbar gemacht. Team GB lag auf der Hand, auch wenn man über den kleinen Zungenbrecher, wie es neben Fans auch TV-Kommentaren regelmäßig tun, schon stolpern kann. Reden wir also von Briten, der Einfachheit halber. Nordiren sind sowieso nicht im Team, das hat aber eher mit der nordirischen Fußballgüte und auch mit der Geschichte zu tun, wahrscheinlich spielt alles zusammen.

Schließlich ist England mit den anderen Teilen des Königreichs oft über Kreuz gewesen, weshalb sich die anderen Teile nun nicht gerne vereinnahmen lassen. Man denke nur an den Nordirland-Konflikt, dem fast 4000 Menschen zum Opfer fielen. Erst 2005 erklärte die IRA den bewaffneten Kampf für beendet, 2007 zog sich die britische Armee nach 38 Jahren aus Nordirland zurück.

Jedenfalls haben ein Nordire und zwei Schotten, die nominiert waren, fürs Olympiateam abgesagt. Es setzt sich nun aus 13 Engländern und fünf Walisern zusammen. Immerhin ist also Wales mit an Bord. Viele Engländer stört es ja, dass das Kingdom insgesamt oft "England" genannt wird. Das kann man verstehen, wer würde schon wollen, dass jemand etwa Kärnten sagt oder auch Wien, wenn er ganz Österreich meint?

Zwei Waliser sind besonders wichtig, Craig Bellamy und Ryan Giggs, Welsh Connection werden sie genannt. Bellamy hatte nach Giggs-Assist beim 1:1 gegen Senegal getroffen, Giggs legte gegen die Emirate nach Bellamy-Flanke mit dem 1:0 per Kopf den Grundstein zum ersten Sieg britischer Olympiakicker seit 52 Jahren. Da sehen die stolzen Engländer denn auch darüber weg, dass die walisischen Lippen versiegelt bleiben, wenn vor Spielbeginn God save the Queen ertönt. Mehr als Naserümpfen und Augenbrauenhochziehen ist da nicht, solange das Team Chancen hat.

Medaille wäre Überraschung

Am Mittwoch wird sich weisen, wohin der Weg führt. Der Gegner in Cardiff heißt Uruguay, den Briten genügt ein Remis zum Aufstieg ins Viertelfinale. Für Teamchef Stuart Pearce ist Uruguay allerdings "nach wie vor Gruppenfavorit". Tatsächlich wäre es eher eine Überraschung, wenn das Team GB um die Medaillen mitplaudern könnte.

Die Mannschaft, kein Ausbund an Kreativität, hätte gegen die Emirate auch ins Hintertreffen geraten können, ehe Giggs-Ersatz Scott Sinclair eine Minute nach seiner Einwechslung für das 2:1 (76.) und Daniel Sturridge drei Minuten später für die Entscheidung sorgte. Sollte Team GB scheitern, wird sich das Naserümpfen wohl auswachsen, Pearce ist ohnedies umstritten, da er auf Superstar David Beckham verzichtete, der gerne dabei gewesen wäre.

Der britische Fußball und die olympische Geschichte, da gibt es Überschneidungen, sie liegen lange zurück. Dreimal holten die Briten Olympiagold, 1900, 1908 (in London) und 1912, doch bald gingen die Professionalisierung des Fußballs und der olympische Amateurstatus nicht mehr zusammen. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg verzichtete die Football Association (FA) zweimal auf ein Antreten, nach dem Krieg tat man nur noch bis 1972 mit, dabei ragte der vierte Platz 1848 (in London) unter dem legendären Matt Busby heraus.

Seit Barcelona 1992 dürfen auch Profis offiziell olympisch sporteln, sie dürfen freilich mit drei Ausnahmen den 23. Geburtstag nicht überschritten haben. Doch erst jetzt, bei den dritten Heimspielen, hat sich Großbritannien zur Teilnahme durchringen können. Giggs, der 64-mal für Wales kickte und dabei auf zwölf Tore kam, hat WM- und EM-Endrunden klarerweise, wenn überhaupt, nur im Fernsehen erlebt. Nun spielt er sein erstes großes Turnier und hat dabei sein erstes Tor erzielt. "Es war schon ein besonderes Tor", sagte er, um hinzuzufügen: "Der Kopfball ist ja nicht gerade meine Stärke."

Understatement, wie es üblich ist nicht nur in London, nicht nur in England. Sondern überall im Vereinigten Königreich. (Fritz Neumann aus London, DER STANDARD 30.7.2012)