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Trotz monatelanger Überwachung wurde in beiden Verfahren nichts Belastendes entdeckt.

Foto: apa/dpa/Bernd Weißbrod

Zum zweiten Mal in diesem Sommer stellt ein Gerichtsverfahren dem Verfassungsschutz ein wenig schmeichelhaftes Zeugnis aus. Ende Juni waren im Prozess gegen 13 TierschützerInnen die Freisprüche aller Beschuldigten vom Vorwurf, eine mafiaähnliche Organisation gebildet zu haben, rechtskräftig geworden (wegen der Freisprüche bei Delikten wie Nötigung und Sachbeschädigung läuft das Berufungsverfahren). Und diesen Freitag wurden jene vier Studierenden, gegen die ursprünglich wegen Terrorismus ermittelt worden war, von einem Wiener Richter vom Vorwurf der Brandstiftung beim Arbeitsmarktservice freigesprochen.

In diese Ermittlungen ist jeweils viel Geld, Arbeitszeit und PolizistInnenschweiß geflossen. Im TierschützerInnen-Fall waren u.a. Kameras an Hauseingängen, Mikrofone in Schlafzimmern, Peilsender an Autos montiert worden. Eine verdeckte Ermittlerin erschlich sich für 18 Monate das Vertrauen der Auszuforschenden, reiste mit ihnen quer durch Europa. Und monatelang brüteten Beamte über Auswertungen der Verdächtigen-Internetkommunikation. 

Vertrauenspersonen mit zweifelhaften Tipps

Hinter den AktivistInnen der Uni-brennt-Bewegung wiederum waren wochenlang Beamte des Verfassungsschutzes her, verfolgten sie durch Wien. Vertrauenspersonen der Polizei spionierten ihre Handynummern aus, auf dass ihre Aktivitäten lokalisiert werden konnten.

Die Vertrauenspersonen gaben der Polizei auch so manchen Tipp: Etwa, dass Brandanschläge auf Einrichtungen der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) bevorständen. Dass die Verdächtigen selbst an der ÖH engagiert sind, ließ beim Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung offenbar keine Zweifel aufkommen. 

Wenig von Bestand

Die Ergebnisse der Ausspähaktivitäten flossen vor Gericht in die Beweisaufnahme ein. Aber in beiden Fällen stellte sich heraus: Nur sehr wenig hatte Bestand. Das Gericht sah sich jeweils mit dutzenden "Beweisen" konfrontiert, die sich bei näherer Betrachtung als Vermutungen, ja Unterstellungen, entpuppten. 

Als Prototyp möge hier, aus dem TierschützerInnenprozess, ein SMS-Austausch dienen, der in den Akten als vermutlich kriminelle Absprache bezeichnet worden war. Nach wenigen Fragen von Richterin Sonja Arleth stellte sich heraus: Es war um Hundesitting gegangen, konkret: wie man den als notorischer Beller bekannten Hund Otto möglichst diskret durch ein Stiegenhaus lotsen könne. 

Im Zuge der Uni-brennt-Ermittlungen war beim Verfassungsschutz offenbar niemandem aufgefallen, dass die KritikerInnen der Hochschulpolitik nur äußerst marginales Interesse am Arbeitsmarktservice hatten (vor dessen Filiale in der Wiener Redergasse fand am 27. Juni 2010 ein Brandstiftungsversuch statt, der den Verdächtigen angelastet wurde). Und, wie gesagt, Beweise, dass jene vier Studierenden das Feuer legten, gab es keine, Richter Gerald Wagner sprach sie frei.

Gefährliche Zündelei

Somit ist denkbar, dass hier die Falschen verfolgt und vor Gericht gestellt wurden. Das ist beunruhigend, denn die Zündelei war laut dem Gerichtsgutachter höchst gefährlich: Die Flammen hätten sich mit größter Wahrscheinlichkeit auf das gesamte Gebäude ausgeweitet, wäre die Feuerwehr nicht rasch zur Stelle gewesen, sagte er. Wenn dieser Angriff trotz ausführlichster Ermittlungen vielleicht unaufgeklärt bleibt: Wozu dienen dann all die in den vergangenen Jahren sukzessive ausgeweiteten Ermächtigungen der Sicherheitsbehörden?

Und es stellt sich noch eine Frage: In beiden Verfahren saßen Verdächtige wochenlang in U-Haft, wegen martialischer Verdächtigungen (Mafia, Terrorismus) und wegen Tatbegehungs-, Flucht- oder Verdunklungsgefahr. Beweise gegen sie wurden trotzdem nicht gefunden. Sie hatten den Schaden, offenbar ohne Nutzen für Sicherheit und Ordnung. Wie kann verhindert werden, dass es bald wieder zu derlei überschießenden Ermittlungen kommt - wer weiß gegen wen? (Irene Brickner, 28.7.2012)