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Der rumänische Staatschef Basescu wird für das Staatspaket verantwortlich gemacht.

Foto: Reuters/Cristel

"Bei der Hitze sollte man in die Berge fahren", sagt der Taxifahrer. " Aber andererseits sollte man am Sonntag zum Referendum gehen. Dann ist Basescu endlich weg." Der kleine Mann grinst und macht eine schnelle Handbewegung, die andeutet, wie man jemanden abmurkst. Viele Rumänen machen den Präsidenten dafür verantwortlich, dass die Leu im Geldtascherl heute höchstens ausreichen, um die Miete zu bezahlen und Essen zu kaufen, dass man wegen der harten Sparmaßnahmen wieder an die Armut in der Ceausescu-Ära erinnert wird und dass manche trotzdem immer reicher werden und ungeniert ihre dicken Autos auf den Gehsteigen parken.

In Bukarest sind in diesen Tagen auf Plakaten vorwiegend arme und enttäuschte Menschen zu sehen, die erklären, weshalb sie für die Absetzung Basescus stimmen werden. "Rumänen, geht zum Referendum", versucht die Regierungspartei USL an allen Ecken aufzumuntern. Schließlich geht es am Sonntag vor allem darum, dass mehr als 50 Prozent der Wahlberechtigten teilnehmen. Sonst ist sie nicht gültig.

Nach dem Referendum gegen Basescu im Jahr 2007 hat die ihm nahestehende Regierung diese Schwelle eingeführt, um seine Absetzung schwieriger zu machen. Wird die "50 plus eins"- Grenze erreicht, wird Basescu wohl den Cotroceni-Palast verlassen müssen. Laut Umfragen ist die Mehrheit der Rumänen gegen ihn. Und viele Basescu-Anhänger dürften nach dem Boykottaufruf seiner Partei PDL gar nicht am Referendum teilnehmen. Bleibt die Beteiligung unter 50 Prozent, wird der Präsident wohl im Amt bleiben, hat aber ein Legitimationsproblem. "La revedere - Auf Wiedersehen Basescu", steht auf weißen Bannern. Und das kann man auf zweierlei Art lesen.

Daniel Daianu lugt hinter seinem Schreibtisch mit hunderten Zeitungen und Büchern hervor. Der Ökonom denkt, dass Basescu und sein Kontrahent Premier Victor Ponta einen Kompromiss finden können, falls der Präsident nicht abgesetzt wird. "Wir müssen schauen, wie in diesem Land Rechtsstaatlichkeit funktionieren kann. Beide Seiten müssen den Schaden begrenzen, sonst wird sich die Wirtschaft nicht erholen", sagt er. Nachdem die EU-Kommission Mitte Juli die Regierung scharf kritisiert hat, weil diese versucht hatte, durch Notdekrete ihre Macht zu zementieren und Basescu loszuwerden, gilt Rumänien als Sorgenkind der EU.

Probleme mit Kohabitation

Daianu ortet das Problem in "der mangelnden Fähigkeit, eine Kohabitation zu managen". Im semipräsidentiellen System Rumäniens schafft die Bildung einer Regierung, die nicht von derselben Partei geführt wird, der der Präsident angehört, regelmäßig Konflikte. Als der konservative Basescu Anfang Mai den Sozialdemokraten Ponta zum Premier ernannte, schien noch eine Basis für Zusammenarbeit gegeben. Doch dann fühlte sich Ponta offenbar bedroht, weil Plagiatsvorwürfe zu seiner Doktorarbeit auftauchten. Erst dann soll er beschlossen haben, Basescu loszuwerden.

Basescu selbst habe zudem den Fehler gemacht, die Sparmaßnahmen immer selbst anzukündigen, meint Daianu. "Nun machen ihn alle dafür verantwortlich und nicht etwa den früheren Regierungschef Boc", erklärt er den Zorn der Bevölkerung. Die Dominanz Basescus, der jahrelang die Politik bestimmte, könnte ihm nun zum Verhängnis werden.

Die Wahllokale haben am Sonntag bis elf Uhr abends geöffnet. Das könnte angesichts der Hitze ausschlaggebend sein. Denn viele Rumänen verlassen erst nach acht Uhr abends ihre Wohnungen. Manche flüchten untertags in den Schatten der Bäume.

Es hat 38 Grad, selbst die Vögel zwitschern nicht mehr. Ein Mann im blauen Anzug schiebt sein Rad durch den Cismigiu-Park. Es hat einen Patschen. "Ich mag den Präsidenten nicht, aber ich mag noch weniger, was der Premier gemacht hat", sagt der 35-jährige Mihai P., der seinen vollen Namen nicht nennen will, weil er in der Staatsverwaltung arbeitet. "Man stellt sich nicht über das Verfassungsgericht. Ich dachte, unsere Generation wäre weltgewandter. Ich schäme mich."

Genug vom Getöse

Herr P. schämt sich auch dafür, dass "im Parlament 20 Leute sitzen, die verurteilt sind", dafür, "dass alle einer Partei angehören müssen, die was werden wollen, und dass Leistung nicht zählt". Die Absetzung des Präsidenten ist ihm egal. "Ich hab genug von dem Getöse. Am besten wäre eine Monarchie, den König muss man nicht alle paar Jahre wählen."

Auch die beiden 22-jährigen Gendarmen Ionel P. und Sorin M., aus Hargitha wollen "nun lieber einen König" als einen Präsidenten. "Dem würde es vielleicht nicht nur ums Geld gehen", sagt Sorin. Das Referendum interessiert sie nicht. "Auch wenn Basescu weg ist, wird sich nichts ändern", sagt Ionel. Der Einzige, dem sie das Präsidentenamt zutrauen, ist Raed Arafat, der Gründer der Rettung Smurd, für den im Winter Tausende auf die Straße gingen, nachdem Basescu ihn abgesetzt hatte. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 28.7.2012)