Bild nicht mehr verfügbar.

Ein kleiner Schnitt für einen Mediziner, ein großer Schritt für gläubige Juden und Muslime.

Foto: APA/VASSIL DONEV/EPA

Es war ein historisches Ereignis, das an diesem späten Freitagvormittag im Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) stattfand: Erstmals traten die Vertreter der drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam gemeinsam vor die Presse. Oskar Deutsch (Präsident der Kultusgemeinde), Fuat Sanaç (Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft), Peter Schipka (Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz) sowie den lutherischen Bischof Michael Bünker eint die Sorge um die Religionsfreiheit in Österreich. Anlass der ökumenischen Protestnote ist die aufgeflammte Debatte über ein Beschneidungsverbot.

"Unwürdige" Debatte

Und das Religionsbündnis sieht vor allem die Bundesregierung in der Pflicht. Die Regierung solle ein "klares Bekenntnis zur Religionsfreiheit" abgeben und die "juristische Legitimität der religiösen Beschneidung in Österreich sicherstellen". Die Debatte sei vom Ausland nach Österreich transportiert worden und des Landes "nicht würdig", verwies Muslim-Präsident Fuat Sanaç auf die Tradition und die in der Verfassung garantierte Religionsfreiheit.

Das Urteil des Kölner Gerichts, das Beschneidung als strafbare Körperverletzung qualifiziert hatte, fuße auf der deutschen Rechtslage, diese sei ungeklärt, erinnert Bünker. "In Österreich ist die rechtliche Lage klar." Beschneidungen "sind in Österreich völlig legal", versicherte auch Deutsch - "und glauben Sie, dass eine jüdische Mutter ihr Baby beschneiden lassen würde, wenn sie weiß, dass es Probleme geben kann?" Sanaç: "Es ist wie Fingernägel schneiden", setzt er nach.

Erneut wurde betont, dass die Beschneidung ein "religiöser Akt" sei, der seit Jahrtausenden praktiziert werde. Diejenigen, die ein Verbot forderten, würden "im Kern eine religionsfeindliche und menschenrechtswidrige" Haltung zeigen, kritisierte Schipka. Es sei " besorgniserregend", wenn allgemein die religiöse Erziehung von Kindern infrage gestellt werde. Fragen der Religionsgemeinschaften hätten immer noch partnerschaftlich gelöst werden können, so Bünker. Europa wäre aber " schlecht beraten", wenn diese künftig von Gerichten gelöst werden müssten.

"Kein Handlungsbedarf"

Die Stellungnahmen, die es bereits von Regierungsseite zur Causa prima gegeben hat - unter anderem betonte das Justizministerium die rechtliche Unbedenklichkeit in Österreich -, sind den Religionsvertretern bisher zu wenig. Deutsch: "Gefordert ist die Bundesregierung, und zwar die oberste Stelle." Dort hielt man sich am Freitag zurück. Was der religiösen Forderung folgte, waren ministerielle Einzelmeinungen. "Ich sehe keinen Handlungsbedarf. In Österreich ist die Beschneidung kein strafrechtlicher Tatbestand. Und es gilt das Grundrecht auf Religionsfreiheit zu berücksichtigen", stellte Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) klar.

Mit dem Beschneidungsverbot vor allem in Landesspitälern hat man an sich weniger ein Problem. Deutsch: "Wir sorgen dafür, dass jedes männliche Baby - auf Wunsch der Eltern - auf österreichischem Territorium beschnitten wird. Auch wenn die Spitäler sich weigern."

Für Aufregung sorgen in Zusammenhang mit der Beschneidungsdebatte vor allem auch die Aussagen von IKG-Ehrenpräsident Ariel Muzicant. Dieser stellte ein mögliches Verbot mit der Vernichtung der Juden gleich. Ein solches "wäre dem Versuch einer neuerlichen Shoah, einer Vernichtung des jüdischen Volkes, gleichzusetzen - nur diesmal mit geistigen Mitteln". Während es von vielen Seiten Kritik an dem Vergleich hagelt - Eytan Reif von der "Initiative Religion ist Privatsache" etwa sieht darin ein " rhetorisches Armutszeugnis" -, stärkt die amtierende IKG-Spitze Muzicant den Rücken. "Ohne Beschneidung wäre es Juden und Muslimen nicht möglich, in Österreich zu leben. Ein Verbot würde daher einer geistigen Vertreibung nahekommen", stellt Oskar Deutsch klar." (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 28./29.7.2012)