"Ich hätt' getanzt heut Nacht": Blumenmädchen Eliza begibt sich in Higgins Hände.

Foto: studio-iris/Musikfestival Steyr

Steyr - "Es greant so grean, wonn Spaniens Bleamaln blian ..." Wenn Eliza Doolittle im Schlossgraben von Steyr das Blühen der Blüten in Spanien besingt, wird schnell klar, woher sie kommt: aus Oberösterreich. Hannes Rossacher hat My Fair Lady, die Musicalversion von George Bernard Shaws Pygmalion, für das Musikfestival Steyr inszeniert, das heuer zum 18. Mal unter Intendant Karl-Michael Ebner stattfindet.

Dabei hat der Regisseur nicht nur die Idiome der Londoner Arbeiterschicht und Bourgeoisie durch lokalen Dialekt ersetzt, sondern sich auch bewusst an die grandiose Hollywood-Vorlage mit Audrey Hepburn als Blumenmädchen Eliza und Rex Harrison als Sprachprofessor Higgins angelehnt: Ausstattungsdetails wie etwa Elizas Ball-Outfit wurden eins zu eins übernommen, ebenso viele Gesten und Tonfälle.

Für die Darsteller legt diese Anlehnung die Latte hoch, doch sie meistern sie mit Bravour. Beate Ritter überzeugt als Gossenkind wie als Lady, und dass es der stimmgewaltigen Opernsopranistin gelingt, bei Frederick Loewes Ohrwürmern jegliches Arientimbre zu vermeiden, kann gar nicht genug gelobt werden.

Leichtigkeit prägt auch Peter Edelmanns Interpretation des egozentrischen Pofessor Henry Higgins, der gemeinsam mit Oberst Pickering (routiniert: Josef Luftensteiner) den britischen Upper-Class-Macho der Jahrhundertwende ebenso authentisch verkörpert wie Ewald Reiter den Müllkutscher Alfred P. Doolittle.

Einzig Mutter Higgins entspricht weder dem cineastischen Vorbild noch dem Klischee einer britischen Society-Dame: Gabriele Deutsch mangelt es an Würde und Gelassenheit, weniger Tempo und mehr Understatement täten der Rolle gut.

Etwas rätselhaft bleiben die modernen Grafitti auf den Turmaufbauten vor den Schlossarkaden: Im sonst sehr stimmigen, klassisch britischen Bühnenbild von Georg Lindorfer stellen sie einen Stilbruch dar, sollen vielleicht aber als Signal verstanden werden, dass die Thematik der gesellschaftlichen Chancengleichheit heute aktueller ist denn je.   (Marie-Thérèse Hartig, DER STANDARD, 28./29.7.2012)