Soldat mit vier Arbeiterinnen. Zwei haben blaue Taschen, die nach tödlicher Explosion (Bild unten) Gift verströmen.

Foto: R. Hanus
Foto: R. Hanus

Washington/Wien - Zwischen der Welt der Tiere und jener der Menschen gibt es mitunter verblüffende Parallelen, aber auch interessante Unterschiede. Auf ein frappierendes Beispiel wies der US-Evolutionsbiologe und Ameisenspezialist E. O. Wilson hin: So wie Menschen führen auch Ameisen mit speziellen Truppen regelrechte Kriege gegen ihre Feinde. Es gibt aber auch einen bemerkenswerten Unterschied: Während bei den Menschen vor allem junge Männer zum Einsatz kommen, sind es bei den Ameisen alte Weibchen.

Ähnlich ist der Fall bei der süd- und mittelamerikanischen Termitenart Neocapritermes taracua gelagert. Ein Detail ihrer Kriegsführung erinnert freilich entfernt an Selbstmordattentäter: Zum Schutz ihrer Kolonie begehen einige ältere Artvertreterinnen eine Art explosives Harakiri, wie ein internationales Forscherteam um den Biologen Jan Sobotník von der tschechischen Akademie der Wissenschaften in Prag entdeckt hat. Bei einem Angriff bringen die Insekten spezielle blaue Taschen auf ihrem Leib zum Platzen und setzen so eine klebrige Flüssigkeit frei, die für andere Termiten giftig ist, berichten die Forscher im Wissenschaftsmagazin "Science".

Den Forschern fiel bei ihren Untersuchungen zunächst auf, dass Arbeiterinnen an der Verbindung zwischen Brust und Hinterleib entweder eine Art weißes oder blaues Band eingelagert haben und dass die Größe des blauen "Rucksacks" vor allem vom Alter der Insekten abhing. Zudem fanden sie heraus, dass sich bei Angriffen von anderen Termiten (Labiotermes labralis) die Artvertreterinnen mit dem "blauen Rucksack" besonders aggressiv verhalten.

Giftige blaue Kristalle

Diese Termiten beißen zunächst und setzen dann durch eine Art Harakiri eine Ladung Gift frei: Sie schlitzen ihre eigene Körperwand auf, und bei dieser kleinen Explosion, die ihr Gedärm mit nach außen reißt (siehe Foto links unten), werden auch blaue Kristalle freigesetzt, die in speziellen Drüsen unter der Haut entstehen. Die Kristalle entfalten dann in Verbindung mit Speichelflüssigkeit ihre volle Giftwirkung.

Die Wissenschafter haben auch eine Erklärung, warum ältere Tiere für solche Selbstmordmissionen vorgesehen sind: Da mit dem Alter die Schärfe der Mundwerkzeuge nachlässt, können sich die Seniorinnen weniger effektiv an der Nahrungssuche beteiligen - und ihrer Kolonie solcherart ein letztes Mal dienen. (tasch, DER STANDARD, 27.7.2012)