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Bei Nabucco ist sich Gerhard Roiss trotz der vielen Rückschläge sicher. Auch wenn die Pipeline nur von der türkisch-bulgarischen Grenze nach Österreich führen wird: Hauptsache, sie kommt.

Foto: Reuters/Prammer Herwig

STANDARD: Sie sind viel außerhalb Europas unterwegs. Werden Sie oft auf die unendliche Geschichte Eurokrise angesprochen?

Gerhard Roiss: Das betrifft uns nicht direkt, da Öl und Gas in Dollar gehandelt werden. Aber hier in Europa ist es natürlich ein Thema. Und es stellt sich wieder heraus, dass Europa Krisen braucht, um die Union zu formen. Es wird noch mehrere davon geben. Ohne Krise ist leider niemand bereit, Rechte aufzugeben und das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen.

STANDARD: Die Krise ist aber längst in der Realwirtschaft angekommen. Das sollte doch einen europäischen Konzern beschäftigen.

Roiss: Wir betrachten die Weltwirtschaft als Ganzes. Für den Energiebereich ist auch die Bevölkerungs- und Einkommensentwicklung relevant. In den Emerging Markets, aber auch in Afrika, wächst eine Mittelschicht heran. Mehr Wohlstand braucht mehr Energie. Europa spielt da mit zehn Prozent der Weltbevölkerung eine sehr kleine Rolle.

STANDARD: Fossile Brennstoffe sind nicht unendlich, wie wird diese steigende Nachfrage gedeckt?

Roiss: Vor allem wächst die Nachfrage nach Gas. Amerika ist dank Schiefergas bereits nahezu autark, die Preise liegen bei einem Viertel jener in Europa. Dort wird ein Gaskraftwerk nach dem anderen in Betrieb genommen, während die früher in Amerika benötigte Kohle nach Europa umgeleitet wird. Dadurch sinken auch die Emissionen in den USA, während sie in der Union steigen. Das will niemand wahrhaben, ist aber ein Faktum.

STANDARD: Was heißt das für die europäische Industrie?

Roiss: Die hohen Energiepreise führen zu Verlagerungen in die USA. Das sind Investitionen, das sind Arbeitsplätze, die bei uns dauerhaft verlorengehen. Der lohnintensive Bereich geht nach Osten, der energieintensive nach Westen.

STANDARD: Warum wird nicht gegengesteuert?

Roiss: Ich glaube, dass die Entscheidungsträger überfordert sind. Nehmen Sie die Erneuerbaren: Windparks sind noch verkäuflich, das ist ja Ökostrom. Was man der Bevölkerung nicht dazusagt, dass man dazu auch die entsprechenden Hochspannungsleitungen braucht. Wir diskutieren nur Stückwerk.

STANDARD: Ist das jetzt ein Plädoyer gegen die Energiewende?

Roiss: Nein, aber es geht um die Machbarkeit. Die Frage ist, zu welchem Zeitpunkt machen wir das und welche Technologien werden gebraucht. Das kurzfristige Subventionieren ist der teuerste Weg.

STANDARD: Zur OMV: Es gibt immer wieder Spekulationen, dass ihr Großaktionär IPIC aus Abu Dhabi seinen Einfluss vergrößern will.

Roiss: Es gibt keinerlei Gespräche, irgendetwas zu verändern. Das sind alles nur Gerüchte.

STANDARD: Gibt es Animositäten?

Roiss: Nein. Sonst hätte uns die nationale Ölgesellschaft von Abu Dhabi nicht gerade das Recht eingeräumt, erstmals in dem Land nach Gas suchen zu dürfen. Das war die erste internationale Lizenz nach vielen Jahren. Darum haben wir uns sehr lange bemüht.

STANDARD: Bei Ihrem Hauptaktionär ÖIAG tut sich auch einiges? Sind Sie für eine Aufwertung oder Abschaffung der Staatsholding?

Roiss: Ich bin der Meinung, dass ein Filter zwischen Politik und Wirtschaft sinnvoll ist. Ansonsten äußere ich mich nicht dazu.

STANDARD: Mit dem Ausbau des Stromgeschäfts kommen Sie dem Verbund zunehmend in die Quere. Macht es Sinn, dass zwei Staatsbetriebe miteinander konkurrieren?

Roiss: Wir sind kein Stromkonzern und werden nie einer werden. Nur dort, wo wir eigenes Gas haben, ist die Verstromung eine Option in der Wertschöpfungskette. Wir konzentrieren uns auf den Ausbau des Gasbereichs, da gibt es keinen Platz für andere Spielereien.

STANDARD: Zum Gasbereich zählt auch die geplante Pipeline Nabucco. Nerven Sie die ständigen Todesanzeigen für das Projekt?

Roiss: Nabucco wird noch 100-mal sterben, wichtiger ist, dass es ein Mal lebt. Ich selbst habe die Nabucco West von der bulgarisch-türkischen Grenze nach Österreich vorgeschlagen. Wenn jemand bereit ist, den türkischen Teil zu finanzieren und zu bauen, ist mir das recht. Das machen jetzt die Aseris und die Türken.

STANDARD: Der größte Teil des Gases soll vom Shah-Deniz-Feld in Aserbaidschan kommen, das u. a. von BP, Statoil und Total betrieben wird. Welchen Einfluss werden die Firmen auf Nabucco erhalten?

Roiss: Ich gehe davon aus, dass die Lieferanten beteiligt werden. Das Shah-Deniz-Konsortium hat sein Interesse bekundet, es ist auch eingeladen. Wir haben jetzt ein Jahr Zeit, um das zu finalisieren. Da wird es viele Gespräche geben. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 27.7.2012)