Das Londoner East End ist schon lange kein Cockney-Klischee voller schlagfertiger Taxifahrer und Fish-and-Chips-Buden mehr. Relativ günstige Mieten, große viktorianische Industriegebäude und Zentrumsnähe haben im vergangenen Jahrzehnt Künstler und Musiker, dicht gefolgt von Nachwuchsdesignern, Stylisten und Modefotografen, in die Gegend gelockt. Besonders Shoreditch und in den letzten Jahren Dalston wurden Kreativzentrum und Hipster-Spielplatz.

Doch für Nichtverdiener ist Ostlondon mittlerweile ein schwieriges Pflaster: Viele der Jugendlichen, die vor zehn Jahren in den Londoner Osten gezogen waren, haben sich zu Bobos mit vollbiologisch ernährtem Nachwuchs entwickelt. Auch die Banker, die in der angrenzenden City arbeiten, finden die Gegend mittlerweile gut. Die Mieten schossen in die Höhe, alteingesessene East Ender können sich Ostlondon oft nicht mehr leisten. Trotz erhöhter Kunstzeitschriften- und Biogemüsedichte war Hackney wenig überraschend eines der Epizentren der Aufstände im letzten Sommer.

Verliert die Gegend den Coolfaktor, den junge Kreative suchen? Rondo begab sich auf Spurensuche in jenen Vierteln der Stadt, die gerade während der Spiele im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit stehen werden.

Lily Newark, 17

Lily ist Schauspielschülerin und eigentlich aus dem Westlondoner Nobelviertel Victoria, verbringt aber den Sommer bei Freunden im Ostlondoner Mile End. Sie mag das East End, findet aber, dass Ostlondoner zu Cliquenbildung neigen. "Man erkennt schon am Outfit, welche Art von Hipster sie sind." Lily freut sich auf Olympia, weil sie von ihren Eltern Tickets für die 800-m-Staffelfinale bekommen hat.

Lily trägt ein Ashish-Top, einen American Apparel- Rock und House of Holland x Superga-Schuhe, fotografiert haben wir sie in Hackney Marshes, 1,8 Kilometer Luftlinie entfernt vom olympischen Park.

Foto: Britta Burger

Charlie Pates, 22

Charlie ist ein Mode-PR und arbeitet in einer Bar. "Es gibt ein paar Orte, die vom Ostlondon-Hype unberührt sind, aber das coole East End weitet sich schnell aus." Er hofft, dass sich Olympia positiv auf die Regenerierung der Gebiete rund um den Olympic Park auswirkt und kann sich nicht vorstellen, dass die Mieten weiter steigen werden. "Die sind schon am Limit."

Charlie trägt ein Hemd von Beyond Retro und Jeans von Cheap Monday, fotografiert wurde er in Abney Cemetery, 4,9 Kilometer vom olympischen Park entfernt.

Foto: Britta Burger

Zoe Grisedale, 30

Zoe ist Drummerin, Schauspielerin und Kabarettistin. Sie mag den Mix verschiedener Kulturen und die Tatsache, dass es in Ostlondon an jeder Straßenecke Gigs, Ausstellungen und Modepartys gibt. "Früher war Hackney so unheimlich, dass man davonlaufen wollte, jetzt wollen all hierher." Die Vorstellung, dass Ostlondon bald von Touristenströmen überflutet sein wird, deren London-Bild eher von roten Bussen als Sozialbauten geprägt ist, findet sie witzig.

Zoe trägt ein Hemd von B-Store und Jeans von Paul Smith, fotografiert wurde sie in Landsdowne Drive, 3,6 Kilometer vom olympischen Park entfernt.

Foto: Britta Burger

Maria Falbo, 24

Maria ist Modebloggerin, Skaterin, arbeitet für eine PR-Firma und ist nach wie vor ein Riesenfan von Ostlondon. "Hipster sind Leute, denen ihr Image wichtig ist." Maria lebt in einer Nebenstraße von Broadway Market, einem samstägigen Treffpunkt von Hipster und Bobos. "Mein Vermieter hat noch gar nicht gemerkt, wie viel unsere Wohnung jetzt Wert ist. Wenn er Wind davon bekommt, muss ich mir etwas Billigeres suchen."

Maria trägt ein Outfit von Nikita und Schuhe von Vans, fotografiert haben wir sie in Victoria Park, 1,6 km vom olympischen Park entfernt.

Foto: Britta Burger

Julian Brown, 25

Julian macht Soundinstallationen, seine neueste ist im V&A zu hören. Er stammt aus Ostlondon, Artikel in Zeitschriften, in denen es heißt, Ostlondon sei "over", findet er aber daneben: "Die Medien, die jetzt das Ende von Ostlondon prophezeien, sind doch für den Hype verantwortlich!"

Julian trägt einen Blazer von Muji, ein Secondhand- Hemd und Acne-Jeans, fotografiert haben wir ihn auf der De Beauvoir Road, 4,6 Kilometer Luftlinie vom olympischen Park entfernt.

Foto: Britta Burger

Jordan Smith, 21

Jordan arbeitet im Nike 1948 Shop in Shoreditch. Er ist in Dalston aufgewachsen, als sich dort noch niemand freiwillig ins Nachtleben gestürzt hätte. Er ärgert sich über Leute, die nach Ostlondon kommen, weil sie cool sein wollen und so tun, als ob ihnen alles gehöre. Mittlerweile wundere er sich nicht mehr, wenn ihn Mädchen mit nach Hause nehmen und er in einem Penthouse landet, das der Daddy bezahlt. Von Olympia erwartet er sich eine Touristeninvasion und Verkehrschaos.

Jordan trägt ein T-Shirt von Huf, eine Kappe von Deathwish, die Jeans ist von irgendeinem Mädchen, fotografiert wurde er in Bateman's Row in Shoreditch. (Britta Burger, Rondo, DER STANDARD, 27.7.2012)

Foto: Britta Burger