Nevada - "The winner takes it all" heißt nicht nur ein Evergreen der Schwedenpopper ABBA, sondern gilt auch für das Wahlsystem der USA: Wer die Nase in einem Bundesstaat vorne hat, bekommt alle Stimmen der sogenannten Wahlmänner gutgeschrieben, egal wie groß der Vorsprung ist. Darum fokussiert sich auch bei der Präsidentschaftswahl im November die Aufmerksamkeit auf die sogenannten Swing States, also Staaten, die weder für die Demokraten von Präsident Barack Obama noch für die Republikaner von Mitt Romney sichere Bänke sind.

 

Auftritt New Hampshire: Mitt Romney hört seinem Vize Paul Ryan zu. Foto: EPA/CJ GUNTHER

New Hampshire - Ein steiniger Weg

Es sind nur vier Wahlmänner, die New Hampshire Anfang Jänner 2013 nach Washington schicken wird, um dort den nächsten Präsidenten der USA zu wählen. Der Staat im Norden New Englands mit rund 1,3 Millionen Einwohnern war lange Zeit eine sichere Bank für die Republikaner. Zwischen 1856 und 1988 schafften es lediglich sechs demokratische Präsidentschaftskandidaten, die Mehrheit der Wähler von sich zu überzeugen. Erst seit 1992, als Bill Clinton gegen George H. W. Bush gewann, gilt der Staat als Swing State.

Clinton konnte auch 1996 überzeugen. Vier Jahre später entschied sich der Staat, der wegen seiner Gesteinsvorkommen auch "Granit-Staat" genannt wird, aber für den Republikaner George W. Bush. Allerdings nur einmal. Als Bush 2004 um seine Wiederwahl kämpfte, unterlag er in New Hampshire gegen den demokratischen Herausforderer John Kerry. New Hampshire war damit der einzige Bundesstaat, den Bush 2000 gewonnen aber vier Jahre später verloren hatte. 2008 votierten 54 Prozent der Wahlberechtigen in New Hampshire für den Demokraten Barack Obama. Sein damaliger Herausforderer John McCain kam auf 44 Prozent der Stimmen.

Der Bundesstaat, als dessen Motto auf den Nummerntafel "Live free or die" zu lesen ist, steht seit Beginn des Wahlkampfes im Mittelpunkt des Interesses. Denn traditionell finden dort die ersten Vorwahlen statt. Mitt Romney hat seine Kandidatur offiziell in New Hampshire bekannt gegeben und seinen Wahlkampf auch dort begonnen. Romney war Gouverneur des Nachbar-Bundesstaates Massachusetts, hat einen Feriensitz in New Hampshire und wird als dem Bundesstaat verbunden wahrgenommen. Generell betonen die Wähler in New Hampshire ihre Eigenverantwortung und lassen sich ungern dreinreden. Eine Einstellung, die dieses Jahr eher Mitt Romney nützen könnte. Aktuelle Umfragen prophezeien derzeit allerdings einen Sieg für Obama im November.

Blinkende Lichter in Las Vegas. Foto: Reuters

Nevada - Das geteilte Land

Wer Nevada hört, denkt an die Casinos in Las Vegas, Atomtests im militärischen Sperrgebiet NTS, Außerirdische in der Area 51, Wüstenlandschaften und schroffe Felsen. Das Land im Westen der USA ist aber zweigeteilt. Der Norden und Nordwesten, wo sich auch die Hauptstadt Carson City befindet, sind von Landwirtschaft, Viehzucht und Goldabbau geprägt. Im Süden liegt Las Vegas, eine der am stärksten wachsenden Metropolregionen der USA. In diesem Teil des Bundesstaates leben mittlerweile auch mehr als die Hälfte der insgesamt 2,7 Millionen Einwohner Nevadas. Die Region hatte in den vergangenen zehn Jahren ein Bevölkerungswachstum von mehr als 25 Prozent zu verzeichnen. Die steigende Einwohnerzahl führte dazu, dass Nevada dieses Jahr sechs Wahlmänner nach Washington schicken darf. Bisher waren es fünf.

Einer der Konflikte zwischen den beiden Regionen dreht sich um den steigenden Wasserverbrauch des Südens, der den Landwirten und Viehzüchtern im Norden nicht zupass kommt. Die Unterschiede zwischen den beiden Landesteilen sind auch an den Wahlergebnissen abzulesen. So wählte der Süden mehrheitlich demokratisch, während der Norden und Nordwesten ihre Interessen besser bei den Republikanern vertreten sehen.

Nevada tendierte bei Präsidentschaftswahlen eher dazu, für den republikanischen Kandidaten zu stimmen. Bill Clinton konnte 1992 erstmals seit 24 Jahren wieder die Mehrheit für die Demokraten erreichen. Seither ist die Wahlgeschichte des Bundesstaates wechselhaft. Clinton gewann auch 1996, bei den darauffolgenden Wahlen 2000 und 2004 siegte der Republikaner George W. Bush. 2008 wiederum entschieden sich 55 Prozent der Wahlberechtigten für Barack Obama. Die Wahlergebnisse in Nevada entsprechen den bundesweiten Ergebnissen.

Den wegen seiner großen Silbervorkommen auch "Silver-State" genannte Bundesstaat hat die wirtschaftliche Krise in den USA besonders hart getroffen. Die Arbeitslosenzahlen sind höher als anderswo und der Ausblick auch nicht besonders rosig. Romney wird versuchen, die Wirtschaftspolitik Obamas für diese Entwicklung verantwortlich zu machen. Ein relativ hoher Anteil an Mormonen unter der Wählerschaft könnte ebenfalls ein Vorteil für den Mormonen Romney sein. Obama hingegen hofft, bei seiner Stammwählerschaft - Hispanics und niedrigen Einkommensschichten - erneut punkten zu können. Derzeit führt Obama in den Umfragen.

Obama testet Schokocreme von der Inhaberin des "Squirrel's Den" in Mansfield, Ohio. Foto: Pablo Martinez Monsivais/AP/dapd

Ohio - Der Durchschnittsstaat

"Mother of Presidents", das ist einer der Spitznamen für Ohio, den Bundesstaat im Nordosten der USA, denn sieben bisherige Präsidenten sind in diesem Bundesstaat geboren - alle von ihnen Republikaner. Ohio ist allerdings ein klassischer Swing State und gilt aufgrund seiner demografischen Merkmale als Mikrokosmos der USA. Ein Sieg hier gilt als besonders wichtig: Seit 1904 haben nur zwei Präsidentschaftskandidaten den Sprung ins Weiße Haus geschafft, ohne auch einen Sieg in Ohio verbuchen zu können. Besonders entscheidend war das 2004. Als sich George W. Bush mit dem Wahlsieg in Ohio 20 Wahlmännerstimmen und damit seine zweite Amtszeit sicherte.

Diesmal hat der Bundesstaat mit 11,5 Millionen Einwohnern nur mehr 18 Wahlmänner zu vergeben. Bei der vergangenen Wahl 2008 stimmten diese für Barack Obama. Der wirtschaftliche Aufschwung in dem Bundesstaat könnte Obama auch diesmal den Sieg einbringen. Ein Großteil der Wählerschaft ist allerdings trotzdem konservativ eingestellt. Im November vergangenen Jahres haben die Wähler in Ohio gegen die Einschränkung der gewerkschaftlichen Verhandlungsrechte votiert. Republikaner befürchten, diese Ablehnung könnte die Demokraten weiterhin mobilisieren. In den aktuellen Umfragen liegt Obama knapp vorne. (mka, derStandard.at, 21.8.2012)

Rick's Cafe in Virginia Beach. Foto: AP/Walsh

Virginia - Der erste Südstaat

Einen Katzensprung vom Weißen Haus entfernt, ist Virginia einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Swing State, der Barack Obama ein weiteres Mal zum Sieg verhelfen soll. 2008 schaffte er die Überraschung und war der erste demokratische Präsidentschaftskandidat seit 1964, der den inoffiziellen ersten Südstaat gewinnen konnte. Und auch 2012 setzt Obama alle Karten auf Virginia und versucht unter der Devise "If we win Virginia, we will win this election" auf Stimmenfang zu gehen. 13 Stimmen des Wahlmännergremiums sind hier zu holen, und immerhin 16 Prozent der Wähler sind laut Umfragen noch unentschlossen. Obama wird sich laut Wahlkampfstrategen auf den Norden von Virginia konzentrieren und versuchen, insbesondere die Vororte von Washington D.C. zu erobern.

Im Duell zwischen Romney und Obama mischt noch ein Dritter mit, der als Zünglein an der Waage über Sieg oder Niederlage der beiden entscheiden könnte. Virgil Goode, ehemaliger Vertreter der Republikaner im Repräsentantenhaus, tritt für die konservative Constitution Party an. Es wird erwartet, dass er einige Stimmen von US-Amerikanern erhält, die ansonsten republikanisch wählen würden.

Pennsylvania Dutch Country, Heimat der Amish. Foto: AP/Kaster

Pennsylvania - Wer zuletzt lacht

Pennsylvania als klassischen Swing State zu bezeichnen wäre zu viel des Guten. Seit 1988 haben hier immer demokratische Kandidaten die 20 Wahlmännerstimmen gewonnen, und auch dieses Mal zeigen die Umfragen eine Führung für Barack Obama. Trotzdem: Mitt Romney und sein Wahlkampfteam wollen das Duell nicht jetzt schon kampflos aufgeben.

Obama kann zwar auf die gewinnbringende Tatsache, dass sein Vize Joe Biden selbst aus Pennsylvania stammt, setzen. Allerdings wird das wohl bei weitem nicht helfen, das Engagement des abgesetzten demokratischen Gouverneurs Ed Rendell zu ersetzen, der 2008 Obama tatkräftig unterstützte. Stattdessen wird nun der neue republikanische Gouverneur Tom Corbett versuchen, sich für Mitt Romney so richtig ins Zeug zu legen.

Einen wichtigen Schritt, um Romneys Chancen in Pennsylvania zu erhöhen, setzte Corbett mit dem neuen Gesetz zur Wahlregistrierung. Im Keystone State dürfen am Wahltag nur Wähler mit einem gültigen Lichtbildausweis (Führerschein, Studentenausweis etc.) ihre Stimme abgeben. Diese Verschärfung der Kontrollen dürfte Obama vor allem in Philadelphia erheblich schaden, wird doch befürchtet, dass sich einige der potenziell demokratischen Wähler aus Gründen der Bequemlichkeit oder Kosten keinen Ausweis besorgen wollen. Ob das neue Gesetz verfassungskonform ist, soll Mitte August vom Gericht entschieden werden.

Proteste vor dem Kapitol in Madison/Wisconsin. Foto: Reuters/Hauck

Wisconsin - Demokratische Achillesferse

Scott Walker hat Obama Anfang Juni 2012 eine herbe Niederlage zugefügt. Der republikanische Gouverneur aus Wisconsin überstand seine Abwahl, die von über 900.000 Gegnern (viele mit gewerkschaftlichem Hintergrund) aufgrund seiner restriktiven Sparpolitik gefordert worden war. Vorangegangen waren dem lautstarke Proteste 2011 und 2012 in der Hauptstadt Madison. Den Schaden durch die gescheiterte Abwahl haben nun die Demokraten.

Allerdings dürfte er sich nur begrenzt auf die Präsidentschaftswahl auswirken, zeigen zumindest die bisherigen Umfragen, in denen der Präsident führt. Viele demokratische Wähler haben die Aufforderung, Walker abzusetzen, als übertrieben aufgefasst und waren deshalb zu Hause geblieben. Dennoch schwächt die gescheiterte Abwahl die Position der Gewerkschaften, die traditionell eine wichtige Stütze der Demokraten zur Wählermobilisierung sind. 2008 entschied Obama Wisconsin mit 56 Prozent der Stimmen (John McCain: 42 Prozent) klar für sich. Dieses Mal wird das Rennen um die zehn Wahlmänner knapper ausfallen. (ted, derStandard.at, 8.8.2012)

Ocean Drive, Miami Beach. Foto: Reuters/Andrew Innerarity

Florida: König der Swing States

Nicht erst seit dem umstrittenen Gerichtsentscheid bei der Wahl im Jahr 2000 zwischen George W. Bush und Albert Gore gilt der Sunshine State als König der US-Battleground-States. 29 Stimmen hält Florida im Wahlmännerkollegium, gleich viele wie New York, nur Kalifornien (55) und Texas (38) haben noch größeres Gewicht. Bei den vergangenen zehn Präsidentschaftswahlen siegten siebenmal die Republikaner, dreimal die Demokraten, zuletzt 2008. Außer 1992, als der Demokrat Bill Clinton Präsident wurde, in Florida aber dessen Konkurrent George Bush siegte, wählte Florida seit den 70er Jahren immer den künftigen Präsidenten. Der 19-Millionen-Einwohner-Staat im Südosten der USA ist politisch tief gespalten.

Der dicht besiedelte Südosten rund um die Metropole Miami wählte 2008 demokratisch, das Hinterland und der Norden republikanisch. Während der Republikaner John McCain in den meisten Umfragen Anfang 2008 die Nase vorn hatte, spielte die im Laufe des Wahljahres manifest werdende Immobilien- und Finanzkrise Barack Obama in die Hände. 2,8 Prozent betrug der Abstand auf den Republikaner schließlich am Wahltag - für den Battleground-State ein Erdrutsch. 2012 sieht sich Obama mit einer spiegelverkehrten Situation konfrontiert: Die schwächelnde Wirtschaft und eine Welle von Zwangsversteigerungen könnten ihm angelastet werden. Entschieden könnte die Wahl in Florida aber von den hispanischen Wählern werden: Fast 20 Prozent der Bewohner Floridas sind spanischsprachig. Die Republikaner veranstalten Ende August in Tampa an Floridas Westküste ihre National Convention.

Pincher Creek, vor den Rocky Mountains. Foto: Reuters/Todd Korol

Colorado: Unstete Rocky Mountains

The winner takes it all: 2008 war der Sieg Obamas in dem Rocky-Mountains-Staat Colorado eine der großen Überraschungen, die den Demokraten letztlich solide über die magische 270-Wahlmänner-Grenze marschieren ließen. 1,3 Millionen Coloradans stimmten für Obama, 1,1 Millionen für John McCain. Gemäß der Wahlordnung gingen alle neun Wahlmännerstimmen, die der Fünf-Millionen-Einwohner-Staat zu vergeben hat, an den Demokraten. Vier Jahre zuvor ist in dem viereckigen Staat im Zentrum der USA eine Initiative für das sogenannte Amendment 36, das die Wahlmännerstimmen je nach Wahlergebnis proportional an die Kandidaten verteilt, an der Wahlurne gescheitert.

Acht der zehn vergangenen Präsidentschaftswahlen konnten die Republikaner hier für sich entscheiden, einzig Bill Clinton und Obama störten die konservative Hegemonie. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die Szenerie aber verändert: Seit 1960 hat sich die Bevölkerung beinahe verdoppelt, vor allem die boomende Region rund um Denver und der hohe Hispanics-Anteil lassen die Demokraten hoffen. Der liberale Gouverneur John Hickenlooper, ein Verfechter strenger Waffengesetze, zählt zu den populärsten Politikern im Staat, als Bürgermeister von Denver ließ er den Besitz von Marihuana zum Eigengebrauch entkriminalisieren.

Ein Feld in DeWitt. Foto: Reuters/Adrees Latif

Iowa: Obamas süße Erinnerung

Mit den Worten "Sie haben gesagt, dieser Tag würde niemals kommen" eröffnete der damalige demokratische Kandidat Barack Obama am 3. Jänner 2008 seine viel umjubelte Rede in Des Moines, Iowa. Es war sein erster Sieg in einem Caucus, Obamas erster Schritt zur Nominierung. Weil Iowa mit seinen Caucuses ganz zu Beginn der Nominierungsrennen steht, kommt seinen Wählern traditionell überproportionale Bedeutung zu, auch 2008. Im November siegte Obama schließlich klar mit 54 Prozent gegen John McCain (44 Prozent).

Vier Jahre danach steht der Präsident in dem ländlich-katholisch geprägten Staat vor einer weit schwereren Aufgabe: Mitt Romney hat wochenlang in dem Drei-Millionen-Einwohner-Staat im Mittelwesten Wahlkampf geführt, die präsidialen Umfragewerte sind hier niedriger als in den Nachbarstaaten. Seit 1988 hat der zuvor seit Bürgerkriegszeiten republikanisch dominierte Agrarstaat immer für die demokratischen Kandidaten gestimmt - mit Ausnahme von 2004, als George W. Bush bei seiner Wiederwahl auch in Iowa siegte. Sechs "Electoral Votes" entsendet Iowa in das Kollegium. (flon, derStandard.at, 27.7.2012)