München - Im Organspende-Skandal an deutschen Universitätskliniken sind weitere Missstände bekanntgeworden. An der früheren Arbeitsstätte des verdächtigten Arztes aus Göttingen, dem Uniklinikum Regensburg, habe es weit mehr Unregelmäßigkeiten bei Organtransplantationen gegeben als bisher angenommen, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" am Donnerstag. Mehrere jordanische Patienten, die am Jordan Hospital in Amman operiert wurden, seien fälschlicherweise als Patienten des Uniklinikums auf die Warteliste für ein Spenderorgan gesetzt worden, obwohl sie darauf keinen Anspruch hatten.

Bisher war nur der Fall einer jordanischen Privatpatientin bekannt, bei dem ein Verstoß gegen die Transplantationsrichtlinien vorlag. Der betreffende Arzt soll demnach Anfang April 2005 eine Leber, die eigentlich einem europäischen Empfänger zugestanden hätte, mit nach Jordanien genommen und dort der Frau eingepflanzt haben. Das Universitätsklinikum Regensburg erklärte laut Zeitung, es habe nach Bekanntwerden der Unregelmäßigkeiten einen Ethikkodex für Arbeiten im Ausland erstellt.

Manipulation von Krankenakten

Ausländer, die nicht aus einem der Länder im Eurotransplant-Verbund kommen, haben in der Regel keinen Anspruch auf die Organe. Eurotransplant verfügt über ein gemeinsames Spender-Meldesystem und ist verantwortlich für die Zuteilung von Spenderorganen in sieben europäischen Ländern. Pro Jahr werden durch Eurotransplant rund 7.000 Spenderorgane vermittelt. Rund 16.000 Patienten stehen auf der zentralen Warteliste.

Der verdächtigte Transplantationsmediziner soll an der Universitätsklinik Göttingen in großem Stil Krankenakten manipuliert haben, um bestimmten Patienten bevorzugt eine Spenderleber zu verschaffen. Es sollen unter anderem Laborwerte manipuliert und Dialyseprotokolle gefälscht worden sein, um zum Beispiel neben der Lebererkrankung auch noch Nierenprobleme vorzutäuschen. Dies verbessert die Position auf der Warteliste, die für die Zuteilung eines Spenderorgans relevant ist. Nach Angaben der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer (BÄK) wird 25 Verdachtsfällen nachgegangen.

Der verdächtigte Oberarzt, der mittlerweile nicht mehr in Göttingen arbeitet, bestreitet die dort gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig unter anderem wegen Bestechlichkeit. Der Skandal hatte auch eine Debatte über eine zusätzliche Kontrollinstanz für die Überprüfung von Patientendaten nach dem Vier-Augen-Prinzip ausgelöst. (APA, 26.7.2012)