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Börsen-Chefin Birgit Kuras wünscht sich von der Politik ein attraktiveres Umfeld für den heimischen Kapitalmarkt.

Foto: AP/Punz

Standard: Zuletzt verschwanden mit AUA, Bank Austria, Teletrader, KTM mehr Unternehmen vom Kurszettel, als neue hinzugekommen wären. Warum?

Kuras: Da stehen technische Dinge wie Übernahmen dahinter. Es ist nicht so, dass die Unternehmen von der Börse weg wollen. Früher gab es mal einen Schub, wo Unternehmen wie SBO, AT&S, Brainforce weggegangen sind. Diese sind aber wieder zurückgekommen. Das ist ein Zeichen dafür, dass der Heimmarkt funktioniert.

Standard: Die Wiener Börse galt früher als Tor in den Osten. Wofür steht der Wiener Markt heute?

Kuras: Der Kapitalmarkt per se ist aufgrund der in Osteuropa tätigen Unternehmen noch immer mit der Region verflochten. Das Ost-Thema kommt sicher positiv besetzt wieder zurück. Die Märkte sind weniger verschuldet, die Länder haben à la longue ein höheres Wirtschaftswachstum. Davon werden die im Osten engagierten Unternehmen profitieren. Dann wird das Thema für den Kapitalmarkt wieder besser besetzt sein. Im Moment ist eben alles überlagert von der Euroschuldenkrise.

Standard: Sie haben bei ihrem Amtsantritt gesagt, dass sie Unternehmen besuchen wollen um herauszufinden, welche Anforderungen diese an die Börse haben bzw. wie ihnen selbige schmackhaft gemacht werden kann. Ihre Bilanz?

Kuras: Ich bin mitten drin in dieser Marathon-Tour. Wir versuchen, Unternehmen auf einen Börsengang vorzubereiten. Das Motto ist Beratung, Beratung, Beratung. Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen.

Standard: Es heißt, es gebe viele börsenfähige Unternehmen und großes Privatisierungspotenzial. Warum traut sich niemand? Ein perfektes Marktumfeld gibt es nicht.

Kuras: Alle warten in der Eurokrise auf die eine große Lösung, die es so aber nicht geben wird. Wenn Normalität zurückkehrt und Unternehmen wieder investieren, wird sich an der Börse mehr tun. Viele Betriebe haben ihre Hausaufgaben punkto Verschuldung und Kosten gemacht und können ihre Eigenkapitalaufnahme flexibler gestalten. Für Investitionen ist es noch zu früh. Die Privatisierungen sind ein politisches Thema.

Standard: Wie läuft Ihr Dialog mit der Politik, um das Kapitalmarktumfeld attraktiver zu machen?

Kuras: Die bisherigen Gespräche verliefen unterschiedlich. Wir haben alle Politiker besucht mit dem Anliegen, zwischen Spekulanten und Unternehmensbeteiligung zu differenzieren. Das Bewusstsein, dass man den österreichischen Kapitalmarkt braucht, ist da.

Standard: Dennoch wurde die Wertpapier-KESt umgesetzt. Wie viel hat das dem Markt geschadet?

Kuras: Allein die Ankündigung hat geschadet und einen Schwenk Richtung außerbörsliche Handelsplattformen ausgelöst. Das wieder umzukehren, ist schwer. Geholfen hat das dem Markt nicht.

Standard: Auch die Finanztransaktionssteuer taucht auf der Polit-Agenda immer wieder auf ...

Kuras: Bei der Finanztransaktionssteuer muss man aufpassen, dass nicht die transparenten, regulierten Börsenumsätze bestraft und Darkpools - die am Ende des Tages noch ein Anlegerschutzthema werden - bevorzugt werden. Wenn die Steuer kommt, sollte sie als Lenkungsinstrument für alle gelten, auch für außerbörsliche Umsätze. Man kann nicht auf der einen Seite regulieren und gleichzeitig intransparente Plattformen zulassen.

Standard: Wie sieht die Wiener Börse in fünf Jahren für Sie aus?

Kuras: Ich gehe davon aus, dass sich in fünf Jahren die Konjunktur deutlich erholt hat und die Unternehmen den Kapitalmarkt wieder für Börsengänge und Kapitalerhöhungen nützen. Wien wird im internationalen Konzert immer eine kleine Börse bleiben. Klein, aber fein und so was von oho.

Standard: Stören Sie die Fingerzeige, dass jetzt eine Frau im Vorstand der Börse sitzt?

Kuras: Nicht wirklich. Nach Maria Theresia (sie hat die Wiener Börse 1771 gegründet, Anm.) die zweite Frau in der Börse zu sein, das ist schon auch ein gutes Gefühl.(Bettina Pfluger, DER STANDARD; 26.7.2012)