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Nikitin als "Fliegender Holländer", hier Anfang 2008 beim Festival im südwestdeutschen Baden-Baden.

Foto: apa / EPA/ROLF HAID

Bayreuth - Bayreuth-Regisseur Hans Neuenfels, dessen "Lohengrin"-Inszenierung auch dieses Jahr gezeigt wird, hat die Leitung der Bayreuther Wagner-Festspiele wegen des Umgangs mit dem russischen Sänger Evgeny Nikitin scharf kritisiert.

Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier hätten früher über das Privatleben und die Haltung Nikitins Bescheid wissen müssen, sagte Neuenfels dem 3sat-Magazin "Kulturzeit". - "Wenn die sich so verliebt hätten in den Sänger und gesagt hätten, das muss er unbedingt sein, dann muss man sich nicht nur mit ihm beschäftigen, dann muss man vor allen Dingen auch die Folgen tragen", kritisierte er die Festspiel-Chefinnen. Man dürfe "nicht wegen äußerlicher Beeinflussung sagen, wir entfernen ihn. Das geht nicht." 

Nikitin musste wegen seit längerem übermalten Tattoos mit Nazi-Symbolen auf die "Fliegende Holländer"-Titelpartie verzichten. Zur Absage war es gekommen, nachdem das ZDF-Magazin "aspekte" ein Porträt des seit seinem Met-Debüt 2002 international hochaktiven Bassbaritons ausgestrahlt hatte. Um dessen zweite musikalische Vorlieben zu illustrieren - der heute 38-jährige Nikitin spielt seit Teenage-Tagen düsteren Metal Rock -, hatte das ZDF aus einer Sendung des russischen "Kultura"-Senders zitiert: Deren schillerndes Porträt "Evgeny Nikitin: Oper und Metal" findet sich freilich seit Herbst 2008 (!) höchst öffentlich auf Youtube, "überraschend" war der Umstand der Tätowierungen für an Nikitin Interessierte jedenfalls nicht.

"Aufarbeitung der Festspiele noch im Dunkeln"

Neuenfels sagte generell, dass man nicht erlauben könne, dass ein dem Nazitum nahestehender Sänger auftrete. "Das Wichtigste in der Kunst ist das Humane und da fällt Nazitum wirklich nicht darunter." Für ihn sei die Beschäftigung mit dem Hauptdarsteller und seiner Geisteshaltung wichtig. Nach Auffassung von Neuenfels hat das Handeln der Wagner-Schwestern damit zu tun, "dass die Aufarbeitung der Festspiele noch im Dunkeln liegt".

Katharina Wagner hatte die Kritik an angeblichen Versäumnissen bei der Vergangenheitsbewältigung der Festspiele zurückgewiesen: "Historiker sind dabei, das aufzuarbeiten", sagte sie am Mittwoch wenige Stunden vor der Eröffnung der Richard-Wagner-Festspiele. Sie und ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier hätten dafür alle ihnen zugänglichen Unterlagen zur Verfügung gestellt. Auch andere Familienmitglieder wie etwa Cousine Nike Wagner seien in diesen Fragen sehr engagiert. Andere Familienstämme seien dagegen zurückhaltender. Hier habe sie aber keinen Einfluss, sagte die Festspielchefin.

Der Münchner Staatsopernintendant Nikolaus Bachler hatte nach der erzwungenen Absage Nikitins die Wagner-Familie angegriffen. Bachler, an dessen Haus in München Nikitin bereits aufgetreten ist, hatte den Festspielchefinnen vorgeworfen, sie zeigten mit dem Finger auf jemanden anderen, "weil man mit der eigenen Geschichte ein Problem hat". Nikitin habe Reue gezeigt. "Eine Reue, die ich von der Familie Wagner in den letzten 50 Jahren nie vernommen habe", hatte Bachler gesagt. Er spielte damit auf den schwierigen Umgang der Familie Wagner mit der nationalsozialistischen Vergangenheit der Bayreuther Festspiele an.

Nikitin sollte am Mittwoch die Titelpartie im "Fliegenden Holländer" singen, für ihn war dann Samuel Youn eingesprungen. (APA, red, 26.7.2012)