Bild nicht mehr verfügbar.

Kritik an Michael Jordan, Magic Johnson und dem Dream Team ist basketballerische Blasphemie. 

Foto: AP/Ragan

Bild nicht mehr verfügbar.

John Stockton, Chris Mullin und Charles Barkley und ein vorgezeichneter Weg zu Gold.

Foto: AP/Gaps

Bild nicht mehr verfügbar.

Team USA, von links hinten: Carmelo Anthony, Blake Griffin (verletzt, für ihn wurde Rookie Anthony Davis nachnominiert), Tyson Chandler, Kevin Love, Kevin Durant, "the King" LeBron James

Vorne: Chris Paul, Russell Westbrook, Deron Williams, James Harden, Andre Iguodala, Kobe Bryant

Foto: Reuters/Marcus

Bild nicht mehr verfügbar.

Luis Scola (li.) ist Teil eines abgezockten argentinischen Teams. 

Foto: AP/Fernandez

Bild nicht mehr verfügbar.

Vor Spanien und insbesondere Pau Gasol müssen die Amerikaner Respekt haben.

Foto: Reuters/Tessier

Bild nicht mehr verfügbar.

Gibt es für Team USA auch am Ende noch viel zu lachen? Carmelo Anthony (M.) könnte jedenfalls eine große Rolle spielen in London. Sein Spielstil ähnelt am ehesten dem europäischen.

Foto: Reuters/Marcus

Bevor sich die Mutter aller Basketball-Länder der internationalen Konkurrenz stellt, muss sie sich an den eigenen Maßstäben messen lassen. Wieder einmal. Und niemand geringerer als Kobe Bryant hat die Diskussion losgetreten: Die Scoringmaschine gab sich in der Olympia-Vorbereitung des US-Basketballteams fest davon überzeugt, dass die aktuelle Mannschaft besser sei als das Dream Team von Barcelona 1992.

Diese freche Aussage rief freilich Michael Jordan auf den Plan, der sich kaputt lachte und sogleich sagte: "Das war nicht sehr smart von Kobe. Das ist doch gar keine Frage, natürlich waren wir damals besser." Nach Bryants Meinung war das Dream Team zu alt und außerdem nicht so athletisch. MJs Gegenargument: 1992 standen elf zukünftige Hall of Famer auf dem Parkett. Es war die Routine, und das bessere Verständnis für das Spiel, dass Barkley, Johnson, Bird und Co. zum besten Nationalteam aller Zeiten machte. 

Wer den Schaden hat

Mit markigen Sprüchen lässt sich freilich noch keine Gold-Medaille abholen, schon gar nicht im Vorbeigehen. Die Arroganz der NBA-Stars wurde in der Vergangenheit schon das ein oder andere Mal von der internationalen Konkurrenz bestraft. Ein Spiel, das im Rückspiegel europäischer Basketballfans wohl niemals verschwinden wird: Der unglaubliche Sieg Griechenlands gegen die USA im WM-Halbfinale 2006 in Japan. Damals war immerhin schon der mittlerweile beste Basketballer des Planeten in Reihen der Amerikaner dabei: Lebron James. Ebenso ein Schandfleck in der olympischen Geschichte der USA war die Semifinal-Niederlage gegen Argentinien in Athen 2004.

Lebron James ist nicht nur frisch gebackener NBA-Champion, sondern wohl auch der Schlüsselspieler im System der Coaching-Legende Mike Krzyzewski. Das US-Team, mit nur zwei echten Innenspieler mit an Bord (Tyson Chandler, Kevin Love, alle anderen Guten sind verletzt), wird seine Gegner in "kleineren" Formationen ("small ball") höllisch aggressiv verteidigen und Ballverluste forcieren. Am Gegenangriff sollen viele leichte Punkte fallen, das Tempo des Spiels wird so hoch sein, wie auf einer Autobahn ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. Und der Druck? Der ist groß wie eh und je, die Welt erwartet sich, dass Team USA seine Gegner paniert. 

Gift für das US-Team

Hier wird es problematisch. Trotz des immensen US-Talents, das sich in London zweifelsohne versammelt: Treffen die Amis ihre Distanz-Würfe nicht konstant, könnte der Ofen aus sein. Auch wenn es bei dem Trio Infernale (Durant, Kobe, Carmelo Anthony) unwahrscheinlich ist, das alle drei einen schlechten Tag haben. Am Rebound ist man jedenfalls nicht so überlegen wie dereinst, die Konkurrenz rückt nicht mit Kleinkindern an. Darum wird Lebron James auch unter dem Korb aushelfen müssen.

Wie man die Sensation gegen den Titelverteidiger (fast) schaffen kann, exerzierte Spanien in Peking vor: Tempo drosseln, strukturierte Offensive und den Ball unter den Korb wandern lassen und dort wrestlen mit den US-Bombern. Die Iberer haben auch heuer die besten Chancen, den USA Gold streitig zu machen. Das Team ist seit Jahren extrem gut eingespielt, hat mit den Gasol-Brüdern und Serge Ibaka mächtige Argumente unter dem Korb, die auch die US-Defense gut lesen können. Wichtig wird auch sein, dass die Point Guards (Calderon, Rodriguez, Lull) Ballverluste bei der Spieleröffnung vermeiden, ansonsten kann die Furia ihr Arsenal an Offensivoptionen gar nicht ausnützen. Verzichten müssen die Spanier leider auf Spielmacher Ricky Rubio (Kreuzbandriss), der gefährlichste Werfer des Teams, "La Bomba" Juan Carlos Navarro, ist auch rekonvaleszent wegen einem Fersensporn. Navarro wird aber sicher spielen, Gold bei den Spielen fehlt ihm noch in seinem prall gefüllten Medaillenschrank. 

Zwei weitere unmittelbar starke Konkurrenten für Team USA sind Argentinien und Brasilien. Die Gauchos sind zwar richtig alt (in Sportlerjahren gemessen), dafür schwer routiniert. Ob das bei der hohen Intensität, mit der die Amerikaner ans Werk gehen, reicht, ist fraglich. Acht Spieler des Goldmedaillen-Gewinners von Athen sind über 30. Manu Ginobili wird 35, ebenso alt ist Point Guard Pablo Prigioni (wechselt noch zu den New York Knicks), Werfer Andres Nocioni (76ers) ist mit 32 auch kein Jungspund mehr. Argentinien ist auch nicht wirklich riesig groß, Schlüsselspieler Luis Scola misst gerade mal 2,06 Meter - so kann man zwar die große Schwäche des US-Teams nicht ausnützen, mit unorthodoxen Formationen aber für reichlich unangenehme Matchups sorgen. 

Starke Brasilianer

Die Brasilianer könnte den Geheimfavoriten geben, sie haben mit Ruben Magnano einen Star auf der Trainerbank sitzen, der mit Argentinien bereits zweimal vorgezeigt hat, wie man die USA schlägt (WM 2002 und Athen 2004). Er forciert viel Bewegung in der Offense, tolles Team-Play und viele Cuts zum Korb im Rücken des Gegners liefern Korbleger und Slam Dunks. Schlüsselspieler bei Brasilien ist Point Guard Marcelinho Huertas, der immer wieder mit seinen Dribblings zum Korb die Defense öffnet und dann mit viel Übersicht auf seine Mitspieler ablegt. Das größte Problem: Der Star des FC Barcelona hat keinen Backup. Das größte Plus: Unter dem Korb wartet man mit einer NBA-Panzer-Division auf (Nene, Tiago Splitter, Anderson Varejo).

Medaillenchancen haben auch die Franzosen. Sie haben bereits vor Turnierbeginn eine Katastrophe verhindert: Tony Parker, das Gehirn der Mannschaft, wurde bei einer Prügelei in einem New Yorker Nachtklub als Außenstehender am linken Auge verletzt, die Vorbereitung auf London konnte er nicht mitmachen. Eine Nation bangte um ihren Superstar. Mit einer speziellen Brille sieht Parker jetzt zwar wie ein Fallschirmspringer aus, bekam aber grünes Licht für einen Einsatz in London. Frankreich spielte eine sensationelle EM im Vorjahr (Platz zwei) und wird versuchen, das gesammelte massive NBA-Talent (Batum, de Colo, Diaw etc.) zu nutzen, um zu verblüffen.

Russische Riesen

Ebenfalls im Medaillenrennen befindet sich Russland. Das Team wird auch heuer wieder angeführt von einem der besten Shot-Blocker auf Gottes Erden, Andrei Kirilenko. Die Russen stellen wohl erneut das größte Team des Turniers, Center Timofei Mozgov ist 2,16 Meter, Point Guard Anton Ponkrashov überragt jeden Gegenspieler auf seiner Position mit 2,06 Meter (!!). Der Vergleich zwischen Rocky und Ivan Drago (aus Teil 4) ist wohl wiedermal nicht weit hergeholt. In der Defense sind die Russen ein Bollwerk, für weit offene Würfe des Gegners gibt es keine Genehmigung, vor allem im Angesicht der FIBA-Regeln (internationaler Basketballverband): Wenn der Ball einmal den Ring berührt hat, ist er frei. Kaum jemand beherrscht es so gut wie Kirilenko und Co., den Ball im Stile eines Volleyballers vom Korb weg zu tippen.

Die Logik sagt jedenfalls Gold für USA und Basketball ist nicht Fußball und auch nicht Volleyball. Aber die Gedanken sagen, dass es erneut keine gemähte Wiese sein wird für den großen Favoriten. (Florian Vetter, derStandard.at, 25.7.2012)