Abdul Saboor Gadesi, mein Fixer in Kabul.

Foto: Franz-Stefan Gady

Meine "Entlassung" als "Embedded Journalist" ist eine gute Metapher für den Krieg in Afghanistan. Ich wurde von einem Sergeant - schwer bewaffnet mit Sturmgewehr, Splitterschutzbrille und kugelsicherer Weste - im Humvee zu einem der Tore auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram eskortiert.

Mein Freund Basir, ein Afghane aus Kabul, erwartete mich am Ausgang in einem kleinen Toyota Corolla, um mich von Bagram zurück nach Kabul zu bringen. Nach dem ersten Tor blieb er abrupt stehen: "Aus Sicherheitsgründen darf ich nur bis zum ersten Tor fahren. Du musst hier aussteigen!" Die Distanz zum zweiten Tor - bemannt von der Afghan National Army (ANA) - betrug fast einen halben Kilometer. Im Niemandsland zwischen der ANA und der US Army fand also mein "Embed" sein Ende. Irgendwo zwischen diesen beiden Armeen wird sich auch der Krieg am Hindukusch entscheiden.

Gegenseitiges Misstrauen

Wie gut die afghanische Armee mit den Amerikanern kooperiert, wird den Krieg entscheidend beinflussen. Das Misstrauen zwischen ISAF-Truppen und den afghanischen Streitkräften ist jedoch in den vergangenen Monaten wegen vermehrter "Fratricides" (beabsichtigtes Töten eigener Streitkräfte) und des bevorstehenden Abzugs der NATO gestiegen. Die Kluft zwischen den beiden Armeen ist noch immer groß. 80 Prozent der NATO-Truppen im Land verlassen niemals ihre Stützpunkte.

Afghanische Zivilangestellte und einzelne Offiziere, die erst nach genauen Sicherheitsüberprüfungen auf den Stützpunkt dürfen, sind oft die einzigen Afghanen, mit denen es der Durchschnitts-GI zu tun hat. Ein "Kulturaustausch" auf den unteren Ebenen (mit Ausnahme einiger Kampftruppen) findet so gut wie nie statt. Ich konnte an mir selbst beobachten, wie unter dieser Distanz der Argwohn gedeiht.

Vorurteile

Nach einigen Wochen mit den Amerikanern in Zormat wuchs mein Misstrauen gegenüber Afghanen stetig. Ich nahm die amerikanische Sichtweise an und sah jeden Afghanen als potenziellen "Feind" an, dem ich auf keinen Fall vertrauen durfte. Wirklich sicher fühlte ich mich nur in der Umgebung von Amerikanern. Durch meine Erfahrungen in Kabul konnte ich dieses Vorurteil wieder abbauen.

Zurück in der Hauptstadt, musste ich für ein paar Tage auf ein Ausreisevisum warten. Ich heuerte für hundert Dollar einen "Fixer" an, um mich besser durch den afghanischen Bürokratiedschungel zu navigieren. Ich verbrachte vier Tage im Außenministerium, im Innenministerium und im Passamt, um meine Ausreisedokumente zu erhalten. Mein "Fixer", Abdul Saboor Gadesi, unterhielt mich mit Geschichten aus seinem Leben. Von 1986 bis 1991 war er Offizier im afghanischen Geheimdienst KhAD (Khidamāt-i Ittilā-āt-i Dawlati) unter Mohammad Najibullah, dem sowjetgestützten Präsidenten Afghanistans. Was Abdul aber genau unter dem repressiven Regime im Geheimdienst tat, wollte er mir nicht mitteilen.

Er gab aber zu, dass der KhAD die Mujahedin unterschätzte. Er selbst erfuhr erst 24 Stunden vor der Einnahme Kabuls im Jahr 1992, dass das Regime fallen würde. Zusammen mit dem legendären General Abdul Raschid Dostum machte er sich nach dem Fall Kabuls in den Norden auf, um von dort den Kampf gegen die Taliban zu organisieren. Erst 1997, als die Taliban die nördlichen Hochburgen Dostums einnahmen und eine Generalamnestie erließen, kehrte er in seine Heimatprovinz Baghlan zurück, und erst im Oktober 2001 nach Kabul.

Meine Woche in Kabul brachte mich langsam wieder zurück in die zivile Realität. Ich besuchte die NGO Skateistan, unterhielt mich mit afghanischen Skatern und den afghanischen Eigentümern des Gästehauses, in dem ich wohnte, spazierte mit meinem Freund Subel durch die Gassen Kabuls und ging mit einigen afghanischen Journalisten ins Freibad. Ich suchte aktiv den Dialog mit Afghanen, um meine Vorurteile wieder abzubauen. Leider ist dies für keinen der amerikanischen Soldaten im Land möglich.

Fazit

Wenn ich hier in New York meine einzelnen Blogeinträge lese, kommen mir meine eigenen Berichte wie schlechte Drehbüchern oder Ego-Shooter vor. Meine kindliche Euphorie für "das Militärische" in den Anfangseinträgen ist kaum zu übersehen. Schnell kehrte in den Texten aber Ernüchterung ein, die oft in richtige Abscheu umschlug. Viele meiner Erlebnisse sind rückblickend schwer fassbar: Flaggenzeremonien, um Tote zu ehren, Hubschrauberangriffe, schlechte Witze über tote Taliban, die "harten" Platoon Sergeants, die Farm Boys aus Kansas, verhinderte Kriegerpoeten und Musiker, die nach ihrer Heimkehr in die USA von einer großen Karriere träumen.

Video: Infantry Foot Patrols in Zormat, Paktia Province, Afghanistan, June 2012

Mein ernüchternes Fazit nach dreieinhalb Wochen mit der Dog Company: vier nicht gefundene IEDs, die Fahrzeuge zerstört haben, elf gefundene und entschärfte IEDs, drei verwundete Amerikaner, drei tote "Taliban", zwölf Festnahmen, drei Hubschrauberangriffe, 19 Granatwerferangriffe und 19 Patrouillen, bei denen ich dabei war. Ich hatte sehr viel Glück, denn das 3. Battailon verlor viele Männer in den anderen Bezirken der Provinz; die Task Force Spartan hatte mehrere Tote zu beklagen.

Es ist mir nicht gelungen, die Monotonie des Kriegsalltags der einfachen Soldaten darzulegen. Nur ein kleiner Prozentsatz der Truppen verlässt den Stützpunkt und patrouilliert die Dörfer und Täler des Landes. Für die Truppen, die auf den Stützpunkten für zehn Monate oder länger festsitzen, ist der "Krieg" langweilig und monoton. Sehr oft begegnete mir ein "Lagerkoller", der teilweise auch dafür verantwortlich ist, dass Soldaten schwer ins Zivilleben zurückfinden.

Zusammenfassend: Es ist schwierig, über Amerikas Kriege zu berichten, da die Meinung der meisten Leser schon von vornherein feststeht - ein Phänomen, das ich schon oft beobachtet habe. Viele denken, das "Spiel", das die Amerikaner "spielen", zu durchschauen. Viele Europäer sehen sich "aufgeklärter" als die "naiven" Amerikaner. Die amerikanischen Soldaten, die ich in Afghanistan traf, sind jedoch so komplex verschieden und widersprüchlich wie Amerika selbst. Es gibt keine Pauschalantwort auf die Frage, wie der Krieg verläuft oder wie die Amerikaner ihn führen - und ich würde mich hüten, voreilig Schlussfolgerungen zu ziehen. (Franz-Stefan Gady, derStandard.at, 25.7.2012)