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Ivica Dačić vor der Galerie serbischer Innenminister. Er selbst leitete das Ressort in der bisherigen Regierung und wird jetzt Premier.

Foto: REUTERS/Marko Djurica

Mit schweren gegenseitigen Vorwürfen der bisherigen Koalitionspartner - der Demokratischen Partei (DS) und der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS) - begann am Montag in Belgrad die Parlamentsdebatte über die neue serbische Regierung. Diese soll am Freitag bestätigt werden.

Obwohl es nach den Parlamentswahlen vom 6. Mai schien, als ob die alten Regierungspartner die Zusammenarbeit fortsetzen würden, kehrte SPS-Chef Ivica Dačić der DS im letzten Augenblick den Rücken: Der Wahlsieger, die Serbische Fortschrittspartei (SNS), bot Dačić den Posten des Premiers an, den die DS für ihren Chef Boris Tadic reserviert hatte. Tadic verlor die Präsidentschaftswahl Ende Mai gegen den SNS-Kandidaten Tomislav Nikolic.

Dačić, dessen Partei auf Platz drei kam, konnte nicht widerstehen, die DS war bitterböse. SPS und SNS haben zusammen mit kleineren Koalitionspartnern 140 der 250 Parlamentssitze. Es wird Serbiens fünfte Regierung nach dem Sturz des Miloševic-Regimes im Jahr 2001 sein.

Die neue Regierung wird 19 Minister haben, von denen neun auch in der bisherigen waren, allerdings jetzt mit der SNS als Seniorpartner. Die SNS, die sich von der Serbischen Radikalen Partei (SRS) des vom Kriegsverbrechertribunal angeklagten Vojislav Šešelj abgespalten hatte, stellt ihren Vorsitzenden Aleksandar Vucic als Verteidigungsminister und Aufseher der Geheimdienste und als Außenminister den formal parteilosen Ivan Mrkic. Weiters übernimmt die SNS die Ministerien für Landwirtschaft, Sport und Jugend, für Justiz, für Energiewirtschaft, für Binnen- und Außenhandel sowie für Telekommunikation und Informationswesen.

Dank für Seitenwechsel

Die SPS erhält als Dank für den Seitenwechsel neben dem Premier die Ressorts Inneres, Arbeits- und Sozialpolitik, Bildung und Wissenschaft, Gesundheit und Verkehr. Die Partei Vereinigte Regionen Serbiens (URS) übernimmt die Ministerien für Finanzen und für Wirtschaft.

Dačić beteuerte, mit ihm als Regierungschef werde es keine Rückkehr in die nationalistischen 1990er-Jahre geben. Dass er dies betonen muss, ist bezeichnend, war er doch treuer Mediensprecher des im Gefängnis des Haager Tribunals verstorbenen Slobodan Miloševic.

Alle Koalitionspartner der neuen Regierung beteuern, sich vor allem für die Fortsetzung der europäischen Integrationsprozesse Serbiens einsetzen zu wollen. Für bürgerliche Kreise in Serbien ist jedoch nach den Parlamentswahlen am 6. Mai nichts mehr, wie es einmal war: Der bisherige Staatspräsident Tadic hatte sich verkalkuliert, seine Partei statt zum Sieg in die Opposition geführt und es den von Kritikern sogenannten "reformierten Kriegshetzern" ermöglicht, an die Macht zu kommen. Der DS, die der treibende Reformmotor sein sollte, werfen viele vor, den Realitätssinn verloren und einen "Parteiadel" geschaffen zu haben. (Andrej Ivanji, DER STANDARD, 24.7.2012)