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Usain Bolt sieht sich auf einer höheren Mission.

Foto: Reuters/Martinez

Birmingham/London - Usain Bolt, Supersprinter und Hauptattraktion der Spiele, ist nicht fit, so heißt es, der Oberschenkel und der Rücken machen Probleme. Und so kann gut eineinhalb Wochen vor dem 100-m-Finale auch die halbherzige Beschwichtigung des Jamaikaners die aufgeregte Szene nur wenig beruhigen.

"Ich bin durchgecheckt worden, und alles ist in Ordnung. Ich trainiere hart und freue mich auf den Start der Spiele", ließ Bolt aus dem Trainingslager in Birmingham verlauten. Mehrfach war Bolt zuvor nach München geflogen, um sich von Bayern-Arzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt behandeln zu lassen. Vorausgegangen waren zwei Niederlagen binnen drei Tagen gegen Landsmann Yohan Blake. Bolt klagte über Probleme, den Start bei der Generalprobe in Lausanne sagte er ab.

In Birmingham, zwischen dem Campus der örtlichen Universität, wo sich Jamaikas Sprinter vorbereiten, und dem viktorianischen Herrenhaus Horton Grange, wo sie untergebracht sind, spielt sich Bolts Leben derzeit ab.

Der Showdown am 5. August dürfte alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen. Bis zu vier Milliarden Menschen, so haben Forscher errechnet, mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung also, werden das 100-m-Finale an den Bildschirmen verfolgen.

Bolt selbst sieht sich auf höherer Mission. "Ich möchte eine Legende werden. Ich möchte, dass sich die Menschen für immer an mich erinnern. Und dafür muss ich in London Großes vollbringen", sagte er einst. Und gerade deshalb müssen die Tage in Birmingham Bolt wie eine Qual vorkommen. Täglich liegt er auf einer Massageliege an der Laufbahn, lässt sich behandeln, den Blick auf das Kunststoff-Oval gerichtet. "Der Coach hat entschieden, dass er die Behandlungen und Ruhe braucht, um dann in der letzten Woche noch einmal hart zu trainieren. So soll Usain dann bereit für Olympia sein", sagt Agent Ricky Simms.

Rundumversorgung

An nichts fehlt es dem angeschlagenen Superstar in Birmingham, Bolt erhält Rundumversorgung. In der Nacht entlastet ein Spezialbett den maladen Rücken, tagsüber kümmert sich seine Entourage, Trainer Glenn Mills, Manager Norman Peart, Agent Simms, PR-Frau Carole Beckford, ein Rudel Bodyguards. Der Wohlfühlfaktor spielt eine wichtige Rolle. Der bis zum Exzess cool wirkende Bolt ist letztlich doch auch ein Sensibelchen. Gerade wenn der Rücken zwickt und die karibische Sonne gegen den wolkenverhangenen Himmel der East Midlands getauscht ist.

Auch der große Konkurrent im eigenen Lager hat mit der Umstellung zu kämpfen. "Wir lieben Birmingham. Es ist toll hier", sagt Yohan Blake, professionell höflich. Als er damit leichtes Schmunzeln hervorruft, schiebt Blake hinterher: "Na ja, es ist schon ganz anders als zu Hause. Der Anfang war richtig kalt." Der 22-Jährige genießt seine Rolle. Er ist der Jahresschnellste, der Weltmeister, schlug Bolt zuletzt zweimal bei den jamaikanischen Trials - und steht dennoch als Herausforderer klar im Schatten des Weltrekordlers Bolt.

"Ob ich gewinne oder verliere oder es unentschieden endet, wir bleiben Freunde", verspricht Blake. Bolt wird es nicht ganz so unverkrampft sehen. Immerhin strebt er nach sportlicher Unsterblichkeit. (sid, red - DER STANDARD, 24.7. 2012)