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Mehr als 7.000 Todesopfer hat die Cholera in den letzten beiden Jahren in Haiti gefordert. Im Rahmen des Wiederaufbaus ist es noch nicht gelungen, eine umfassende sanitäre Infrastruktur herzustellen.

Foto: AP/Eduardo Verdugo

Das Ganges-Delta am Ostrand des indischen Subkontinents gilt als seine ursprüngliche Heimat. Von dort aus wurde Vibrio cholerae, der Erreger der Cholera, wahrscheinlich erst im 19. Jahrhundert in alle Welt verschleppt. Das tückische Bakterium wütete auch in Europa fürchterlich und hat wohl Millionen Menschen auf dem Gewissen. Genau wird sich das nie beziffern lassen.

Cholera ist ein Seuche der Armuts- und Krisengebiete. Die Ansteckung erfolgt über verschmutztes Wasser oder kontaminierte Nahrung. Mangelnde Hygiene, fehlende sanitäre Einrichtungen, keine strikte Trennung zwischen Abwasserentsorgung und Trinkwasserversorgung: All dies bietet der Krankheit ideale Voraussetzungen. Auch in eutrophierten, also überdüngten Gewässern fühlt sich Vibrio cholerae wohl.

Keine Symptome bei 75 Prozent

In circa 75 Prozent der Fälle verläuft eine Cholera-Infektion ohne irgendwelche Symptome. Der Betroffene bleibt gesund und merkt nichts, auch wenn sich die Keime ein bis zwei Wochen lang in seinem Darmtrakt vermehren können und er diese mit dem Stuhl ausscheidet.

Für ihre Mitmenschen stellen solche Infizierte also eine potenzielle Gefahr dar. Bei ungefähr 80 Prozent derjenigen, die Cholera-Symptome entwickeln, nimmt die Krankheit einen milden Verlauf. Das restliche Fünftel jedoch leidet nach einer Inkubationszeit von zwei Stunden bis fünf Tagen plötzlich an extremem Durchfall. Schmerzen treten dabei nicht auf, aber der Kranke verliert so viel Wasser, dass er schlichtweg droht auszutrocknen.

Rasante Dehydrierung

"Es ist immer wieder dramatisch zu sehen, wie schnell die Dehydrierung stattfindet", sagt Sabine Kampmüller, österreichische Gesundheitsexpertin von der Organisation Ärzte ohne Grenzen. Schon bald sinken die Augen der Patienten ein, ihre Haut verliert stark an Elastizität. Im schlimmsten Fall sind sie innerhalb weniger Stunden tot. So ein rapider Verlauf komme übrigens nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen vor, wie Kampmüller betont. "Diese Tatsache wird oft unterschätzt."

Seine mitunter tödliche Kraft bezieht das Bakterium aus einem von ihm selbst produzierten Giftstoff, dem Choleratoxin. Es handelt sich dabei um ein komplexes Proteinmolekül, welches nach seiner Aufnahme durch Darmepithelzellen eine enzymatische Wirkung entfaltet und die betroffenen Zellen dazu bringt, bestimmte Kanäle in ihren Zellmembranen komplett zu öffnen.

Zunächst kommt es zu einer massiven Ausschüttung von Chlorid-Ionen, danach folgen Wasser, Natrium-Ionen und andere Elektrolyte. Alles landet im Darm und verlässt als extrem wässriger Durchfall den Körper. Bis zu zwei Liter Flüssigkeit pro Stunde gehen so verloren - eine physiologische Katastrophe. Die Behandlung von Cholera-Patienten ist allerdings recht einfach. In rund 80 Prozent der Fälle reicht es aus, die Kranken rechtzeitig ausreichende Mengen Wasser mit darin gelösten Rehydrierungs-Salzen trinken zu lassen.

Kaum resistente Stämme

Wer zu schwach ist, bekommt die Lösung intravenös verabreicht. Bei nur wenigen Betroffenen müssen die Erreger direkt mit Medikamenten bekämpft werden. Die gängigen Antibiotika zeigen diesbezüglich eine sehr gute Wirkung. Bisher wurden kaum resistente Stämme von Vibrio cholerae gefunden.

Trotz dieser Vorteile kommt es in Entwicklungsländern und Katastrophengebieten immer wieder zu Cholera-Epidemien mit Tausenden von Todesopfern. So wie in Haiti, wo die Krankheit seit dem verheerenden Erdbeben von 2010 grassiert. Ärzte ohne Grenzen und andere Hilfsorganisationen versuchen, die Seuche unter Kontrolle zu bekommen, aber bisher ohne echten Erfolg. "Wenn es wieder regnet, sehen wir meist einen Anstieg der Fälle", berichtet Kampmüller.

Beim Wiederaufbau Haitis ist es noch nicht gelungen, eine umfassende sanitäre Infrastruktur herzustellen und die Bevölkerung gut medizinisch zu versorgen. Zu Beginn der Epidemie gelang es auf internationaler Ebene auch nicht, genügend Impfstoff gegen die Krankheit bereitzustellen.

Keine Gefahr für Reisende

Für Reisende stellt Cholera prinzipiell keine Gefahr dar. Kampmüller hat trotz ihrer Arbeit in Versorgungscamps bislang selbst noch keine Impfung genommen. "Es gibt eigentlich kein Risiko, wenn man die minimalen Hygienestandards einhält." Das heißt: Hände waschen, nur einwandfreies Wasser trinken und keine potenziell kontaminierten rohen Speisen essen. "Man muss auch eine ziemlich hohe Anzahl an Keimen aufnehmen, um zu erkranken", sagt die Expertin. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 23.7.2012)