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Jewgeni Nikitin

Foto: Christoph Soeder/dapd

Wenn Opernsänger auf der Titelseite der "Bild"-Zeitung landen, ist es gemeinhin ein Beleg für ihre blühende Prominenz, die sich über das opernhafte Normalmaß hinauskatapultiert hat. Beim Russen Jewgeni Nikitin wurde die "Bild"-Präsenz allerdings nur zum Zeichen, dass seine Bayreuther Karriere zu Ende war, bevor sie überhaupt beginnen konnte.

Nikitin, 1973 in Murmansk geborener Sohn eines Chorleiters, hätte der erste Russe werden sollen, der in Bayreuth eine tragende Rolle (Titelpartie im Fliegenden Holländer) übernimmt. Nun aber wurden ihm Oberkörper-Tätowierungen zum Verhängnis - Überbleibsel aus jener Zeit, da sich Nikitin schlagzeugend im Heavy-Metal-Underground bewegte. Im Rahmen eines Porträts (in der Aspekte-Sendung des ZDF) wurden alte Aufnahmen ausgestrahlt, bei denen auf Nikitins Brust die übermalten Reste eines Hakenkreuzes im Metal-Rhythmus wippten - nebst einigen Runen, die Ähnlichkeit mit Symbolen aufwiesen, welche die SS einst in Verwendung hatte.

Reagierte der Russe, der im St. Petersburgs Mariinski-Theater seine künstlerische Heimat sieht, im Aspekte-Beitrag fast gelangweilt auf Fragen nach dem Körperschmuck und wandte ein, alle hätten doch eine Kindheit gehabt und dabei "gute, verrückte Sachen gemacht", so zog er am Samstag die Konsequenzen. Die gezeigten Bilder hatten in Bayreuth zu Irritationen geführt, und Nikitin gab die Rolle entschuldigend zurück, die nun der Südkoreaner Samuel Youn übernehmen wird: Die Tätowierungen wären ein großer Fehler seines Lebens gewesen, und er wünschte, "er hätte ihn nie begangen". Und: "Mir war die Tragweite der Irritationen und Verletzungen nicht bewusst, die diese Zeichen und Symbole besonders in Bayreuth und im Kontext der Festspielgeschichte auslösen", so der Russe, der unter anderem auch an der New Yorker Met und bei den Salzburger Festspiele gesungen hat.

Ruhig und unaufgeregt sei der Russe im Gespräch mit dem überraschten Bayreuther Leitungsduo (Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier) gewesen, allerdings auch etwas unwissend und naiv bezüglich der Hakenkreuz-Fragen. Die Bayreuther Festspiele konnten sich selbige Unbedarftheit nicht leisten. Angesichts ihrer Nazi-belasteten Historie haben sie gut daran getan, mit der Umbesetzung schnell jeglichen Verdacht im Keim zu ersticken, braunes Gedanken- und Symbolgut zu dulden. (Ljubisa Tosic/DER STANDARD, 23. 7. 2012)