Früher nannte es sich Schichtarbeiterprogramm und war eigentlich für Arbeitslose gedacht. Heute will man nicht einmal die noch mit Schulprogrammen für eine bessere Zukunft belehren, sondern knallt ihnen schon zu früher Tagestunde eine vor den Latz. Die Botschaft ist klar und hat sehr viel mit mentalem Survival-Training zu tun. Das Leben ist böse und gemein, und es gibt kein Licht der Hoffnung auf der anderen Seite der Bildschirmröhre: Egal, ob man auf ARD und ZDF das "Morgenmagazin" mit den neuesten Konjunkturflauten, unfassbaren weltpolitischen und anderen Fußballkatastrophen schaut - oder im privaten "Frühstücksfernsehen" die neuesten Seitenblicke-Streiche von Reich & Blöd. Das Leben ist ein Symptom für den Tod.
Danach brasilianische Telenovelas wie "Salome" und deutsche Entsprechungen wie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" oder "Unter uns". Nur die Liebe zählt? Blödsinn! Man kommt allein auf die Welt und verlässt diese auch wieder allein. Wer glaubt, dass es im eigenen Leben schon ganz dick gekommen ist, sollte sich für die Welt draußen schon rechtzeitig warm anziehen. Es geht noch härter. Fernsehen ist eine gute Schule fürs Leben. An den geringsten Sendungen sollt ihr es erkennen!
Der pädagogisch altbekannte Einwand, dass man mit Fernsehen aktiv seine ohnehin nur gering bemessene Lebenszeit vernichten würde, zählt nicht. Was macht man sonst? Endlich die Gesamtausgabe von Friedrich Nietzsche durcharbeiten oder Bücher übers Marmeladeeinkochen? Ein einziges Argument gegen das Fernsehen ist stichhaltig: arbeiten gehen. (Christian Schachinger/Rondo, DER STANDARD; Printausgabe, 27.6.2003)
CONTRA
Als man als Dreikäsehoch sein Seelenheil beim ersten Schule schwänzen aufs Spiel setzte, nur um Burt Lancaster als Mais pflanzenden Apachen im Vormittagsfernsehen sehen zu können, machte das noch Sinn. Es offenbarte nicht nur einen raren Einblick in das Programm, das eigentlich nur Erwachsenen zugedacht war, man konnte neben dem Wiederholungsfilm auch etwas lernen. Russisch zum Beispiel. Nie werde ich den Gesichtsausdrucks meiner Klassenlehrerin vergessen, als ich auf ihre Frage, was jetzt eigentlich mit der Entschuldigung für Dienstag sei (der Vormittag, den ich mit Burt verbracht hatte) in astreinem Russisch mitteilte, da müsse sie sich, bitte schön, an meine diesbezüglich nachlässigen Erziehungsberechtigen wenden: "Dos wi danja, Frau Schweiger!"