Die türkische Wirtschaft wächst jetzt sehr viel langsamer als in den vergangenen zwei Jahren – bei 3,2 Prozent stand der Zähler nach den ersten drei Monaten in diesem Jahr, verglichen mit acht und elf Prozent in den Jahren davor. Doch was selbst in Boomjahren wie 2011 wächst, so hat eine Untersuchung des türkischen Forschungsinstituts Tepav ergeben, ist das Heer der Hausfrauen: knapp eine halbe Million mehr zwischen März 2011 und 2012.

Kochen, Putzen, mit den Kindern herumplagen und Fernsehshows vom Morgen an verfolgen ist das Geschäft von nun 12,2 Millionen türkischen Frauen. Tepav sieht einen „bedeutenden Anstieg“ in der Kategorie Hausfrauen. Von rund 870.000 Arbeitnehmern, die zwischen März 2011 und 2012 ihren Job aufgegeben oder verloren haben oder neu in den Arbeitsmarkt kamen, ohne eine Anstellung zu finden, waren 496.000 ev kadını – Hausfrauen.

Gegenläufige Bewegungen gab es auch, zumal der Staat mehr Geld für Jobs im öffentlichen Dienst ausgibt – vor allem für Schulen und Spitäler. Doch die Zahlen sind recht bescheiden. So führt die Provinz Istanbul mit weitem Abstand bei angemeldeten (!) weiblichen Arbeitnehmern. Knapp eine Million waren es im März dieses Jahres, doch nur 12.700 mehr als im Vorjahr. In Izmir waren es 3000 mehr Frauen (von 217.000 in der Provinz), in der Millionenstadt Samsun am Schwarzen Meer 433 (von nur 30.000 Frauen in der Provinz); in Ankara ging die Zahl der weiblichen Arbeitnehmer um knapp 650 zurück auf 252.000.

Das ist natürlich nur ein Ausschnitt der Wirklichkeit: Die tatsächliche Zahl der Hausfrauen wird größer sein. Alle Frauen, die nach der Schule gleich zurück in den Haushalt wanderten, sind nicht berücksichtigt; ebenso wenig jene, die arbeiten, aber in keiner Statistik aufscheinen, weil nicht angemeldet und versichert. Die Frage aber ist, warum die Zahl der „unbeschäftigten“ Frauen in der Türkei auch noch zu- statt abnimmt. Unter den OECD-Ländern ist die Türkei ohnehin seit Jahren das Schlusslicht beim Anteil der Frauen an den Erwerbstätigen – um die 23 Prozent, weniger noch als in anderen muslimischen Ländern (u.a. Tunesien, Indonesien). Drei Gründe werden regelmäßig genannt: die konservative Einstellung der Männer (aber durchaus auch mancher Frauen), die hohen Kosten für die private Kinderbetreuung und das geringes Lohnniveau in der Türkei in Kombination mit stetig neu auf den Arbeitsmarkt drängenden Schulabgängern, was dazu führt, dass Männer einen Großteil der Jobs weggreifen.

Offiziell gilt in der Türkei die Drei-Kinder-Politik – wenigstens drei Kinder muss die türkische Familie haben, um die Macht des Landes zu mehren, so wird es von Regierungschef Tayyip Erdogan stets erklärt. Die Moral-Zeitung Zaman hat kürzlich das Ranking der Minister veröffentlicht: 19 von derzeit 26 Kabinettsmitgliedern haben wenigstens drei Kinder – Innenminister Idris Şahin und Gesundheitsminister und Abtreibungsregler Recep Akdag führen mit sechs, Erdogan hat vier ebenso wie Außenminister Ahmet Davutoglu und einige andere; Finanzminister Mehmet Şimşek ist als einziger kinderlos und bekommt ein Bummerl. Frauen im Haus zurückhalten, kostet die Volkswirtschaft allerdings etwas: Tepav hat den theoretischen Ausfall (oder im umgekehrten Fall Gewinn für die türkische Wirtschaft) einmal berechnet  : 574 Milliarden Dollar im Jahr.