Washington - Ein scheidender Ökonom des IWF hat dem Fonds vorgeworfen, wichtige Informationen über die Schuldenkrise in Europa unter Verschluss gehalten zu haben. In einem Kündigungschreiben an das Direktorium des Internationalen Währungsfonds kritisierte der Ökonom Peter Doyle, der Fonds habe nicht frühzeitig vor der Euro-Krise und auch der globalen Finanzkrise von 2007 bis 2009 gewarnt. Der Brief datierte vom 18. Juni und lag der Nachrichtenagentur Reuters am Wochenende als Kopie vor.

Doyle war vor seinem Rücktritt in der Europa-Abteilung des IWF für Schweden, Dänemark und Israel zuständig. Er kritisierte die europäische Vorherrschaft in dem Fonds, der traditionell von einem Europäer geleitet wird. "Auch die derzeitige Amtsinhaberin ist vorbelastet", schrieb Doyle mit Blick auf IWF-Chefin Christine Lagarde, die zuvor französische Finanzministerin war. "Weder ihr Geschlecht, ihre Integrität, noch ihr Elan können die fundamentale Unrechtmäßigkeit des Auswahlprozesses wettmachen."

IWF-Insider, die namentlich nicht genannt werden wollten, sagten Reuters, es bestehe die Sorge, dass der Fonds bei der Rettung europäischer Krisenländer weniger unabhängig agiere als etwa bei der Kapitalversorgung von Schwellenländern. Der IWF bildet mit der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) die sogenannte Troika, die Rettungspakete für angeschlagene Euro-Länder schnürt.

Der IWF hatte in der Vergangenheit bereits Fehler etwa bei der anfänglichen Einschätzung der globalen Finanzkrise eingeräumt. Ein IWF-Sprecher sagte, die Kritikpunkte Doyles, der 20 Jahre für den Fonds arbeitete, seien nicht neu. Sie fänden sich auch in Berichten des IWF wieder. (APA/Reuters, 21.7.2012)