Beschäftigungsfeld Informatik? Die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich hoch. Aber das soll sich bald ändern. Foto: Piraten

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Es ist der erste warme Sommerabend seit vielen Tagen. Während die Gastgärten am Naschmarkt aus allen Nähten platzen, sitzen ein paar Gassen weiter rund 30 Interessierte und Mitglieder beim Stammtisch der Wiener Piraten. Im Laufe des Abends wagen sich auch drei Frauen ins Café Dani, doch die eindeutige Mehrheit sind Männer zwischen 25 bis 70 Jahren. Von Hawaii-Shorts mit Tennissocken bis Batikkleidern ist alles vertreten.

"Mir reicht es ganz einfach, Österreich wird immer mehr zum Polizeistaat."

"Zu schön. Zu jung. Zu intelligent", prangt auf dem T-Shirt von W. Darüber trägt der etwa 60-Jährige eine Lederjacke, Modell Metal-Fan, und eine dicke Silberkette. W. ist zum ersten Mal dabei, aber schon sehr angetan von den Piraten: "Mir reicht es ganz einfach, Österreich wird immer mehr zum Polizeistaat."

Die Grünen seien eine "Kampflesbenpartei", die ausschließlich die Interessen der "saturierten Bobos" vertrete. Sollte W. tatsächlich den Piraten beitreten, hat er ein Problem: Er arbeitet beim Presse- und Informationsdienst (PID), der das Werbebudget der Stadt verwaltet - und über dessen tatsächliche Höhe mehr spekuliert als informiert wird. Dabei ist gerade Transparenz ein Steckenpferd der Piraten. Dienstgeheimnisse dürfe er aber nicht verbreiten, räumt W. ein. Dafür will er zu den Bereichen Medienrecht oder Datenschutz etwas beitragen.

Zwei dieser Stammtischtreffen gibt es bereits jede Woche in Wien, auch in den Bundesländern wird massiv geworben. Auf zwei Tischen sitzen die Arbeitskreise Direkte Demokratie und Wirtschaft, Neuzugänge können sich einklinken oder einfach nur zuhören. Doch die Neuen haben sich erstmal an einen eigenen Tisch verzogen und blicken sich schüchtern um. Helmut, Informatiker und 26 Jahre alt, hat sich in den Internetforen der Piraten bereits eingelesen. Parlamentarier hätten oft keine Ahnung, über was sie abstimmen, sei es beim ESM-Rettungsschirm oder dem Sicherheitspolizeigesetz.

Entsetzt

"Ich bin entsetzt über die Grünen und Roten", pflichtet ihm die 55-Jährige mit dem Nickname Milagro bei. Sie war Mitglied in beiden Parteien, jetzt sucht sie ihr Heil bei den Piraten. Die seien mit Forderungen wie dem bedingungslosen Grundeinkommen oder den kostenlosen Öffis ein "Update von den Grünen", findet sie. Conny wiederum hat sich bis jetzt erst die Homepage angesehen und ist mit Helmut gekommen. Sie war auf allen Demonstrationen zu Acta und zur Vorratsdatenspeicherung, sie fühlt sich vom Staat überwacht.
Technikschulung im Keller

Interesse

Es sind eine Handvoll Interessierte da, die im Keller des Dani zu einer Technikschulung vorbeischauen. Hier treffen zwei Welten aufeinander: die Gründer, meist Programmierer oder IT-Berater, und die Wutbürger, die sich anschließen wollen. Milagro ist auch darunter. Eifrig schreibt sie mit, was der Pirat mit Mikro ihr über Chatforen erzählt.

"Silberpiraten" heißen diejenigen, die "eher nicht online sind", flüstert ein Mitglied. Weil die Partei mit Nerds alleine nicht in den Nationalrat einziehen wird, werden Lösungen gesucht. Mentoren sollen den weniger Technikaffinen helfen, ihre Anträge ins Netz zu stellen. So richtig funktioniert das noch nicht.

"Offline-Piraten"

"Wir haben ein Problem mit den Offline-Piraten", räumt Bundesvorstand Stephan Raab ein. Die Hauptzielgruppe seien dennoch diejenigen, die Mails schreiben. Der Zulauf sei enorm, "den Leuten brennt es unter den Nägeln". (Julia Herrnböck, Der Standard, 20.07. 2012)