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Kühle Luft braucht Spanien eher nicht, dafür aber Geld für den angeschlagenen Bankensektor.

Foto: AP/Alberto Di Lolli

Luxemburg – Die Eurogruppe hat das Banken-Hilfsprogramm für Spanien von bis zu 100 Milliarden Euro endgültig freigegeben. Das bestätigten die Euro-Finanzminister am Freitag nach einer gut zweistündigen Telefonkonferenz in einer gemeinsamen Erklärung. Der Beschluss erfolgt einstimmig. Die jüngsten Krisenmaßnahmen der Politik haben den Devisenmarkt nicht überzeugt und den Eurokurs am Freitag auf Talfahrt geschickt.

Die Hilfen sind an strikte Bedingungen gebunden. Die Überwachung des Finanzsektors in Spanien wird verstärkt, zudem muss eine "Bad Bank" für faule Immobilienkredite eingerichtet werden. Geldhäuser müssen nach EU-Regeln umgebaut werden, um Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil von Konkurrenten in Europa zu verhindern. Für marode Banken sollen Soforthilfen von 30 Milliarden Euro bereitstehen, heißt es in der Erklärung. Der genaue Betrag für das gesamte Programm steht noch nicht fest, denn die Banken müssen erst überprüft werden.

Die Hilfen sollen zunächst vom befristeten Euro-Rettungsschirm EFSF kommen. Wenn der ständige Rettungsfonds ESM eingerichtet ist, sollen die Hilfen aus diesem Topf kommen.

EU-Währungskommissar Olli Rehn hat die abgesegnete Finanzhilfe als Beitrag auf dem Weg zu einem nachhaltigen wirtschaftlichen Wachstum bezeichnet. Für Spanien sei damit der Weg offen, die notwendigen Rekapitalisierungen und die Reparatur des Finanzsektor des Landes durchzuführen.

Das Memorandum of Understanding, das von der Eurogruppe am Freitag angenommen wurde, setze ganz klare Bedingungen, unter welchen das öffentliche Geld für zahlungsfähige Banken ausgezahlt werde, wobei diese Finanzinstitute derzeit nicht fähig seien, sich Mittel auf dem privaten Markt zu holen. Die Restrukturierungspläne stünden voll mit den EU-Regeln in Einklang, sodass gesichert sei, dass die Banken am Ende des Prozesses "lebensfähige Unternehmen" sein werden, die "keine weitere öffentliche Hifle brauchen".

Proteste in Spanien

Unterdessen stößt der harte Sparkurs der spanischen Regierung zur Reduzierung des hohen Budgetdefizits auf massiven Widerstand im Land. Hunderttausende Spanier gingen am Donnerstagabend in 80 Städten auf die Straße, um gegen die "sozial ungerechten" Sparmaßnahmen zu protestieren. Zu den Demonstrationen mit dem Slogan "Sie wollen uns ruinieren" hatten die großen Gewerkschaftsverbänden CCOO und UGT aufgerufen. Vereinzelt kam es zum Einsatz von Gummigeschoßen und Schlagstöcken durch die Polizei.

Mit den Protesten wollten die Gewerkschaften die Mobilisierungsfähigkeit der Spanier prüfen. Die Teilnahmequote übertraf alle Erwartungen. An den Protesten nahmen auch viele Polizisten, Militärs, Richter und Staatsanwälte teil. Sie sehen in dem von der Regierung beschlossenen Sparpaket im Umfang von 65 Milliarden Euro einen Anschlag auf den Wohlfahrtsstaat. Die gesamte Opposition votierte am Donnerstag bei der Abstimmung im Parlament gegen das Paket. Nur die Abgeordneten der regierenden Volkspartei (PP), die über eine absolute Mehrheit im Parlament verfügt, gaben ihre Zustimmung.

Sparplan

Die Sparmaßnahmen enthalten unter anderem eine Anhebung der Mehrwertsteuer von 18 auf 21 Prozent, die Abschaffung des Weihnachtgeldes für die Staatsangestellten sowie eine Kürzung des Arbeitslosengeldes. Der Steuerabzug beim Wohnungskauf wird gestrichen. "Mit diesem Plan wird die Regierung jedoch nicht Spanien retten, sondern eine Massenverarmung der Mittelschicht erreichen", kritisierte zu Beginn der Großkundgebung in Madrid Ignacio Fernandez Toxo, Vorsitzender des spanischen Gewerkschaftsbundes CCOO. Die Gewerkschaften haben damit gedroht, zu einem neuen Generalstreik im September aufzurufen, falls die Regierung das Sparprogramm nicht aufweichen will.

Spaniens konservative Regierung rechtfertigt ihre rigorose Sparpolitik mit dem Argument, sie habe keine andere Wahl. Spanien steckt in einer Rezession. Mehr als 5,6 Millionen Menschen oder fast 25 Prozent der Erwerbstätigen sind arbeitslos - Rekord in der EU. Das hohe Budgetdefizit von 8,9 Prozent müsse im Jahr 2014 auf die zulässige EU-Obergrenze von 3,0 Prozent gedrückt werden. Die Regierung hatte vor wenigen Tagen erstmals eingeräumt, dass die Sparmaßnahmen von der EU-Kommission in Brüssel diktiert worden seien. Spanien hatte am 25. Juni offiziell Hilfe aus dem Euro-Hilfsfonds EFSF für seine Banken beantragt.

Die Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte gehofft, dass das milliardenschwere Sparpaket die Märkte beruhigen würde, aber das Gegenteil ist der Fall. Die Investoren bezweifeln, dass Spanien es schaffen wird, seine marode Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Bei einer Auktion mehrjähriger Staatsanleihen am Donnerstag musste Spanien erheblich mehr Zinsen zahlen. Die Risikoaufschläge und die Rendite für die richtungsweisenden zehnjährigen Wertpapiere erreichten fast neue Rekordstände. Falls diese Entwicklung andauert, dürfte sich Spanien auf die Dauer nicht mehr am Markt finanzieren können. (APA/Reuters, 20.7.2012)