An der See-Oberfläche kann das Cyanobakterium Planktothrix rubescens sichtbare Massenvorkommen ("Blüten") ausbilden.

Foto: Limnologische Station

Zürich - Viele große Seen in Mitteleuropa wurden im 20. Jahrhundert durch Abwässer stark überdüngt. In Folge entstanden "Algenblüten", insbesondere ein Massenauftreten von Cyanobakterien. Einige dieser Organismen bilden Giftstoffe, welche die Nutzung des Seewassers beeinträchtigen können. Absterbende Blüten verbrauchen viel Sauerstoff und reduzieren so den Sauerstoffgehalt im See - mit negativen Folgen für die Fischbestände.

Allerdings kommt es nicht nur die absolute Menge von Stickstoff und Phosphor, den beiden wichtigsten Nährstoffen der Cyanoakterien, sondern auch auch auf das Verhältnis der beiden Stoffe zueinander an, wie die Universität Zürich berichtet. So wurde im Zuge von Umweltmaßnahmen in den letzten Jahrzehnten die Phosphorzufuhr massiv reduziert, die Belastung mit Stickstoffverbindungen jedoch nicht im selben Ausmaß verringert. Das derzeitige Verhältnis zwischen den Nährstoffen kann daher ein Massenauftreten gewisser Cyanobakterienarten auslösen, sogar in Seen, die bislang als saniert galten.

Langzeit-Studie

Und inzwischen kommt auch der Faktor Erwärmung hinzu: "Das heutige Grundproblem liegt darin, dass der Mensch zwei sensible Eigenschaften von Seen gleichzeitig verändert, nämlich die Nährstoffverhältnisse und mit der Klimaerwärmung die Wassertemperatur", erklärt Thomas Posch, Limnologe an der Universität Zürich. Er hat Daten über den Zürichsee aus 40 Jahren analysiert, die Studie wurde in "Nature Climate Change" veröffentlicht.

Die Auswertung dieser Langzeitdaten zeigt, dass das Cyanobakterium Planktothrix rubescens, besser bekannt als Burgunderblutalge, in den letzten 40 Jahren zunehmend dichtere Blüten ausbildet. Wie viele andere Cyanobakterien besitzt Planktothrix Giftstoffe, um sich vor dem Fraß durch Kleinkrebse zu schützen. Die Burgunderblutalge wurde im Zürichsee erstmals im Jahr 1899 beschrieben, und ist für die Wasserversorgung Zürich ein seit langem bekanntes Phänomen. Daher wird das Seewasser für die Trinkwasserversorgung aufwändig aufbereitet, wobei der Organismus und die Giftstoffe vollständig entfernt werden.

Durchmischung zu gering

Das verstärkte Wachstum liegt an den sich verändernden klimatischen Bedingungen: Die wichtigste natürliche Kontrolle der Cyanobakterienblüten erfolgt im Frühjahr, nachdem sich der gesamte See im Winter stark abgekühlt hat. Intensive Winde führen zu einer Durchmischung des Oberflächen- mit dem Tiefenwasser. Ist die Durchmischung vollständig, sterben viele Cyanobakterien in der Tiefe des Zürichsees ab, da sie dem hohen Druck nicht standhalten. Ein zweiter positiver Effekt dieser Durchmischung ist der Transport von frischem Sauerstoff in die Tiefe.

Die Klimaerwärmung bewirkt jedoch eine zunehmende Erwärmung der Wasseroberfläche. Die derzeitigen Werte liegen bei 0,6 bis 1,2 Grad Celsius über dem 40-Jahres-Mittel. Die Winter waren vermehrt zu warm und der See durchmischte nur noch unvollständig, da der Temperaturunterschied zwischen Oberfläche und Tiefe eine physikalische Barriere darstellte. Die Folgen sind größere Sauerstoffdefizite im Tiefenwasser des Sees und eine unzureichende Reduktion der Blüten der Burgunderblutalge.

"Derzeit erleben wir leider eine paradoxe Situation. Obwohl wir die Nährstoffproblematik für teilweise gelöst hielten, arbeitet die Klimaerwärmung in einigen Seen gegen die Sanierungsmaßnahmen. In Zukunft brauchen wir deshalb vor allem wieder kalte Winter mit kräftigen Winden", schließt Posch. (red, derStandard.at, 21. 7. 2012)