Was wie die Vorbereitungen auf eine Pressekonferenz im Freien aussieht, ist ein Aufbau für das sich selbst organisierende Sensorsystem im Nationalpark Hohe Tauern. Damit können völlig autonom Bewegungen von Mensch und Tier verfolgt und analysiert werden.

Foto: Lakeside Labs

Das muss ein merkwürdiges Bild abgegeben haben: Männer, die ihr technisches Equipment mitten im Nationalpark Hohe Tauern aufbauen, Tests durchführen, abwarten und Besuch von neugierigen Kühen bekommen. Was die Wiederkäuer natürlich nicht erkennen konnten: Bei den Gästen handelte es sich um ein mindestens ebenso neugieriges Team aus Informatikern, die sich in die Natur begaben, um ein sich selbst organisierendes Sensornetzwerk zu testen. Dieses besteht aus Bewegungsmeldern, Kameras, angeschlossenen Minicomputern und Mikrofonen, die autonom einen zuvor programmierten Auftrag erfüllen sollen. Zum Beispiel Bewegung von Menschen und Tieren zu detektieren, wie es in der Fachsprache heißt, und jeweils zu erkennen, was zu tun ist: entweder die gesammelten Daten zu verwerfen, wie es in der Mehrzahl der Fälle passieren würde, oder ein Gefahrenpotenzial an das Personal des Nationalparks melden.

Das von der Klagenfurter Lakeside Labs koordinierte Projekt mit dem Titel "Smart resource-aware multi-sensor network" (SRSnet) wurde im Herbst 2009 mit der Alpen-Adria-Universität und zwei Spin-offs der Universität Udine als Kooperationspartner gestartet. Über Interreg IV, das Regionalförderprogramm der EU für Kärnten und Friaul-Julisch Venetien, konnten mehr als 984.000 Euro flüssiggemacht werden.

Energie sparen

Die Herausforderungen des noch bis Herbst laufenden Projekts: "Die Kameras müssen durch die Sonne und die dazugehörigen Pufferbatterien mit Energie versorgt werden, weil es in den Hohen Tauern keine Stromversorgung gibt", erzählt Bernhard Dieber vom Institute of Networked and Embedded Systems der Alpen-Adria-Universität. "Und sie müssen in der Lage sein, sofern sie zu wenig Energie haben, die Aufgabe an die nächstliegende Kamera abzugeben, bis ihre Batterien wieder aufgeladen sind." Dazu bedarf es auch eines energiesparenden Kommunikationsnetzes zwischen den Kameras. Dieber: "WLAN braucht zu viel Energie. Deshalb haben wir ZigBee verwendet, das ähnlich ressourcenschonend ist wie Bluetooth."

Anwendungsmöglichkeiten für das System sehen die Lakeside-Labs-Forscher viele: Wilderer könnten durch die Bewegungsdetektion rasch ausgeforscht werden. "Das ist hierzulande zwar kein Problem, in italienischen Nationalparks aber schon", sagt Dieber. Aber auch der Einsatz bei großen Sport- oder Unterhaltungsveranstaltungen ist für Dieber denkbar.

Dabei würden die Kameras zwar keine Gesichter identifizieren, aber mögliche Gefahren erkennen und dem Eventmanager ein automatisch generiertes SMS schicken. Doch woher wissen die Kameras, dass sich schnell aufeinander zu bewegende Personen bei einem Open-Air-Konzert möglicherweise nichts Gutes bedeuten? Dieber: "Sie können die Ergebnisse der Beobachtungen detektieren und auf größere Zusammenhänge schließen. Die Information, wie die aussehen können, wird den Kameras programmiert."

"Ausschließlich für friedliche Zwecke"

Die Lakeside Labs, die ausschließlich an sich selbst organisierenden Systemen arbeiten, können sich nur eine Nutzung solcher Netzwerke nicht vorstellen: für kriegerische Zwecke zur Überwachung von Regionen. "Das widerspricht unserer Auffassung, dass Technologien wie diese ausschließlich für friedliche Zwecke zu nutzen sind."

Schließlich sind auch die Vorbilder für derlei Systeme friedlich: Tiere, die in der Gruppe kollektive Intelligenz entwickeln. Ungezählt sind die wissenschaftlichen Arbeiten über Ameisen. Über Bienen weiß man, dass sie gemeinsam die Temperatur im Bienenstock auf einem idealen Wert halten können. Biologen, Soziologen, Philosophen, Systemtheoretiker und eben auch Informatiker beschäftigen sich mit derlei Phänomenen, um für ihr Fach daraus Schlüsse zu ziehen. (Peter Illetschko, DER STANDARD, 18.7.2012)