Bild nicht mehr verfügbar.

Seit 2007 unter dem Nordpol: Russlands Flagge.

Foto: AP

Rund 4000 Meter unter dem Eis prangt die russische Trikolore - direkt unter dem Nordpol. Im August 2007 von einer gigantischen russischen Polarexpedition auf den Meeresgrund verfrachtet, ist sie das Symbol für den Anspruch Moskaus auf die Arktis. "Was wir getan haben, haben wir für Russland getan", erklärte kurz darauf der Expeditionsleiter Artur Tschilingarow.

Für den 73-jährigen Polarforscher und Duma-Abgeordneten schlug mit dieser Expedition die Sternstunde seiner Laufbahn. Nach seiner Rückkehr wurde er als Held gefeiert. Das Staatsfernsehen verbreitete die Bilder vom Tauchgang in jeden russischen Haushalt und schreckte dabei nicht einmal vor Fälschung zurück - um die Wirkung zu erhöhen, wurden auch Sequenzen aus dem Spielfilm "Titanic" verwendet, die das Bildmaterial anreichern sollten.

Die Inszenierung diente der Demonstration der eigenen Interessen, die Russland nun mit allen Mitteln durchzusetzen versucht. Moskau sieht sich dabei absolut im Recht: Russische Wissenschafter meinen nämlich, der Lomonossow-Rücken im Nordpolarmeer sei nur die Verlängerung der sibirischen Festlandplatte.

Als Beweise für diese Theorie gelten Gesteinsproben, Messungen und Fotoaufnahmen, die unter anderem von jener Expedition 2007 gemacht wurden. Mit seinen Untersuchungsergebnissen will Russland die Vereinten Nationen von der Rechtmäßigkeit seiner Forderungen überzeugen.

Es geht um eine Fläche von immerhin 1,2 Millionen Quadratkilometern. Dort sollen mindestens zehn Milliarden Tonnen an Kohlenwasserstoffen lagern. Andere Schätzungen beziffern das Gesamtvorkommen in der Arktis sogar auf bis zu 100 Milliarden Tonnen. Das wäre mehr als das Doppelte der bisherigen Öl- und Gaslagerstätten Russlands.

Neue Kampfeinheit bis 2016

Auf diese potenziell lukrativen Energiequellen will Russland natürlich nicht verzichten. Und so sind nicht nur Moskaus Diplomaten und Juristen im Einsatz, sondern auch das Militär. Eine neue Einheit wird aufgebaut, die speziell für den Kampf in der Arktis geschult sein soll. Bis 2016 soll die dem Geheimdienst FSB unterstehende Einheit bereit sein.

Aber nicht nur militärisch will der Kreml die Arktis erobern: Russische Architekten haben bereits das Projekt einer Stadt im ewigen Eis ohne Zugang zum Land entwickelt. Wie die ebenfalls von Russen gebaute Raumstation ISS soll sie aus Modulen zusammengesetzt und damit erweiterbar sein.

Der Maßstab ist gigantisch: Geplant sind Kindergärten, Gewächshäuser und sogar eine Badeanstalt. Abfallrecycling und Wasseraufbereitung sollen die Stadt auch umweltfreundlich machen. Die Kosten für eine 5000-Einwohner-Stadt werden auf bis zu sechs Milliarden Euro taxiert. Noch sind die Planspiele freilich in der Schublade: "Wir machen nichts im Alleingang und mit Gewaltanwendung", betonte Präsident Wladimir Putin. (André Ballin, DER STANDARD Printausgabe, 18.7.2012)