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Soldaten der britischen Armee kommen im Olympic Park in Stratford an.

Foto: APA/EPA/Rain

Nick Buckles sitzt stocksteif da, die Hände auf den Oberschenkeln. Immer wieder blickt der Leiter des größten Sicherheitsunternehmens der Welt, G4S, hilfesuchend zu seinem Abteilungsleiter, der am Zeugentisch in Verhandlungssaal 15 neben ihm sitzt. Einsilbig kommen die Antworten des Vorstandschefs auf die Fragen der Abgeordneten des Londoner Unterhauses, der Ausschussvorsitzende Keith Vaz muss ihn ermahnen, lauter zu sprechen. Binnen Minuten hat der Labour-Politiker die Anhörung in ein Tribunal verwandelt: mehrfach teilt Vaz mit, G4S habe 666.000 Mitarbeiter, 666.000 - als wolle er deutlich machen, dass es an diesem Dienstag um das Businessimperium des Teufels persönlich geht.

Wenn das der Fall ist, steht es um Luzifer schlechter als erwartet. Seit G4S vergangene Woche öffentlich machte, dass es nicht wie geplant die Sicherheit der Olympischen Spiele managen könne, ist die Aktie des Unternehmens an der Londoner Börse um 16 Prozent gefallen. Damit hat der zweitgrößte private Arbeitgeber der Welt binnen einer Woche rund 640 Mio. Pfund seines Marktwertes verloren. Warum Buckles noch auf seinem Posten sei, fragt Vaz verächtlich. "Ich bin der Richtige, um das Problem zu lösen", kommt zurück.

Was Buckles im Lauf der 90-minütigen Anhörung einräumen muss, weckt Zweifel an dieser Behauptung. Eine verwirrende Anzahl von Managern und Direktoren waren offenbar nicht in der Lage, das Ausmaß der Olympia-Herausforderung zu erkennen: Statt vertraglich zugesicherten 10. 400 Sicherheitsleuten hatte G4S bis gestern nur 4200 im Einsatz. Zu Monatsbeginn erfuhr der CEO von den Problemen, brach seinen USA-Urlaub ab und kehrte nach Crawley beim Flughafen Gatwick zurück, wo G4S sein Hauptquartier hat. Der Regierung teilte das Unternehmen erst acht Tage später, vergangenen Mittwoch, seinen Vertragsbruch mit. "Da bekam ich in der Sitzung eine direkte Frage", erläutert Buckles - als hätte seine Pflicht nicht darin bestanden, von sich aus den Auftraggeber zu unterrichten. Nun springen 17.000 Soldaten und Tausende Polizisten kurzfristig ein. "Inakzeptabel, inkompetent, amateurhaft", lautet Vaz' Urteil über Buckles.

Das Verdikt gilt gleichermaßen für das Londoner Organisationskomitee Locog. Das Team um Mittelstrecken-Olympiasieger Sebastian Coe ging jahrelang von viel zu niedrigen Annahmen aus, wie viele Menschen für die Sicherheit der Spiele nötig sein würden: 10.000. Erst im Dezember stockten die Organisatoren die Zahl der Bewacher von 34 Sportstätten in und um London auf 23.700 auf, das Budget wurde auf 700 Millionen Euro verdoppelt. G4S unterschrieb den "beispiellosen und sehr komplexen" Vertrag für 10.400 Kräfte, ohne je zuvor ähnlich viele Leute für ein vergleichbares Ereignis bereitgestellt zu haben. Das Motiv war nicht einmal Gewinnsucht. "Es ging uns um das Prestige eines solchen Auftrags" , sagt Buckles.

Der aus einfachen Verhältnissen stammende Mann hat sich in 27 Jahren in der Sicherheitsindustrie erst zum Chef von Securicor, nach der Fusion mit Group Four auch zum Boss von G4S hochgearbeitet. Sein Jahreseinkommen zuletzt betrug 1,53 Millionen Euro. Der Stundenlohn der meisten G4S-Mitarbeiter liegt übrigens bei 10,8 Euro. (Sebastian Borger, DER STANDARD - 18.7. 2012)